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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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Honecker unternahm noch einen Versuch, das Politbüro auf den
     bewährten Kurs einzuschwören. »Der Feind«, warnte er, »wird weiter heftig arbeiten. Nichts wird beruhigt werden. Das Auswechseln
     von Personen zeigt, dass wir erpressbar sind.« Bei der Abstimmung allerdings votierten Erich Honecker, Günter Mittag und Achim
     Herrmann gegen sich selbst – sichtlich erleichtert, dass es endlich vorbei war.
    Die auf den folgenden Tag, den 18. Oktober, vorgezogene 9. Sitzung des Zentralkomitees besiegelte den Wechsel an der Führungsspitze.
     Honecker durfte noch einige Abschiedsworte sagen und verließ, so steht es im Sitzungsprotokoll, unter »anhaltendem stürmischem
     Beifall« den Saal. Die Mitglieder und Kandidaten des ZK erhoben sich von den Plätzen und applaudierten, bis sich die Tür des
     Sitzungssaals hinter Honecker geschlossen hatte.
    »Es gibt den einstimmigen Vorschlag des Politbüros«, sagte Willi Stoph, »den Genossen Egon Krenz zum Generalsekretär des Zentralkomitees
     zu wählen. Wer dafür ist, bitte ich um das Handzeichen.« Egon Krenz wurde einstimmig zum neuen Generalsekretär gewählt, es
     gab keine Stimmenthaltungen. Krenz war bereits 1984 zu Honeckers Stellvertreter ernannt worden und galt seitdem, zusammen
     mit Günter Schabowski, als einer bei beiden Anwärter für das höchste Regierungsamt. Schabowski war von 1978 bis 1985 Chefredakteur
     bei der SED-Tageszeitung ›Neues Deutschland‹, danach Sekretär im ZK der SED und zugleich 1. Sekretär der Bezirksparteileitung
     Berlin.
    In den wenigen Tagen seiner Regierungszeit kündigte Egon Krenz Reiseerleichterungen an, es kam eine öffentliche Debatte über
     Wahlen in Gang, überhaupt waren plötzlich kritische Äußerungen an der Tagesordnung. Die ostdeutschen Medien befreiten sich
     ein Stück weit von Selbstzensur und der Kontrolle von Partei und Sicherheitsdienst. Am 27. Oktober wurde eine Amnestie für
     Flüchtlinge erlassen, die bis dahin durch ihre »Republikflucht« immer noch einen Straftatbestand erfüllten. Und schließlich
     veranlasste Egon Krenz einen Kassensturz, eine zunächst geheim gehaltene Analyse der wirtschaftlichen Situation und entsprechender |256| Schlussfolgerungen, wie sich die DDR ökonomisch stabilisieren ließe.
    Als sich die Regierung Anfang November zu dem kühnen Schritt entschloss, die seit einem Monat geltenden Reisebeschränkungen
     in die Tschechoslowakei wieder aufzuheben, überquerten binnen weniger Stunden mehr als 8 000 DDR-Bürger die tschechische Grenze.
     Noch am Abend desselben Tages hatten 1 200 Ostdeutsche, die ihre Ausreise in die Bundesrepublik erzwingen wollten, in der
     Bonner Botschaft in Prag Zuflucht gesucht. Jetzt gab es überhaupt kein Halten mehr. In der ersten Novemberwoche erreichten
     die Protestdemonstrationen ihren Höhepunkt. Am 4. November versammelten sich in Berlin auf dem Alexanderplatz mehr als eine
     halbe Million Menschen, zwei Tage später gingen in Leipzig schon wieder eine halbe Million Menschen auf die Straße, Zehntausende
     demonstrierten in den anderen Bezirksstädten, und die Massenflucht nahm bisher nicht gekannte Ausmaße an. In der Folge trat
     zunächst am 7. November der Ministerrat der DDR zurück, einen Tag später verabschiedete sich das Politbüro geschlossen von
     der politischen Bühne. Hans Modrow wurde Ministerpräsident. Viele sahen in dem SED-Funktionär einen Mann, der sich Rückhalt
     in der Bevölkerung verschaffen konnte. Doch derlei Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch. Die DDR-Regierung erlangte nie
     wieder politisches Gewicht. Fortan zog der Westen die Fäden. Wohl niemals zuvor hatte sich eine obrigkeitsstaatliche Regierung
     so leise und unprätentiös von ihren Ämtern verabschiedet. Möglicherweise war es nur Ratlosigkeit, andererseits konnte sich
     die Welt noch ein letztes Mal überzeugen, dass die DDR als wirklich selbstbestimmter und eigenständiger deutscher Staat niemals
     existiert hatte. Am Ende griff die ostdeutsche Parteielite selbst dann nicht nach der Macht, als sich so offensichtlich die
     Gelegenheit bot. Ohne Rückhalt aus Moskau waren diese Männer vollkommen hilflos.

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|257| Die Asche unseres Parteivorsitzenden
    Erich Honecker wurde mit 17 Jahren zum Bonzen, und damit wurde
er intellektuell borniert, emotional indifferent, affektiv starr,
politisch machtbesessen, reaktiv egoman, anal aggressiv, latent
sadistisch und organisch krank. Die seelische Verarmung dieses
Klienten ist allerdings mittlerweile

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