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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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Westfernsehens. Unmittelbar davor (täglich 19.00 Uhr bis 19.30 Uhr) kam
     ›heute‹, die Nachrichtensendung des Zweiten Deutschen Fernsehens, und gleich nach der ›Aktuellen Kamera‹ ging das Erste Deutsche
     Fernsehen mit der ›Tagesschau‹ (täglich 20.00 bis 20.15 Uhr) auf Sendung. Über 70 Prozent der ostdeutschen Haushalte schauten
     Westfernsehen. Wie geheime Stasiunterlagen später zeigten, erreichte die ›Aktuelle Kamera‹ an manchen Abenden nur noch Einschaltquoten
     von weniger als drei Prozent. Währenddessen avancierten die ›Tagesschau‹ und das einmal wöchentlich vom Ersten Deutschen Fernsehen
     ausgestrahlte Politmagazin ›Kennzeichen D‹ zu den beliebtesten politischen Fernsehsendungen der Ostdeutschen. Die beiden öffentlich-rechtlichen
     Fernsehanstalten ARD und ZDF waren sogar zu einer besonderen Berichterstattung über die DDR verpflichtet. Beispielsweise hieß
     es in den Senderichtlinien des Zweiten Deutschen Fernsehens vom 11. Juli 1963: »Das Programm soll der Wiedervereinigung Deutschlands
     in Frieden und Freiheit und der Erhaltung der Freiheit Berlins dienen. Es sind Sendungen zu veranstalten, die in der sowjetisch
     besetzten Zone und in den Gebieten hinter der Oder und Neiße mit dem Willen zur Objektivität unterrichten.«
    Ein besonderes Datum in der Berichterstattung des westdeutschen Fernsehens war der 2. Mai 1989. An diesem Abend zeigte die
     Tagesschau, wie der Eiserne Vorhang an der ungarisch-österreichischen Grenze symbolisch durchtrennt wurde. Der Tagesschaubericht
     erweckte den Eindruck, es eröffne sich nun über Ungarn ein einfach zu beschreitender, legaler Weg, auf dem DDR-Bürger |262| den Ostblock verlassen können. Schon im Mai fuhren erste Ausreisewillige aus der DDR nach Ungarn. Als sie feststellen mussten,
     dass die Grenze, entgegen den Tagesschaunachrichten, noch immer bewacht wurde, besetzten die Enttäuschten die westdeutsche
     Botschaft in Budapest und wollten ihre Ausreise erzwingen. Diese Tatsache hatte für die Redakteure keinen besonderen Nachrichtenwert,
     Botschaftsbesetzungen hatte es in den vorangegangenen Jahren schon häufiger gegeben. Erst mit Beginn der Ferienmonate Juli
     und August, in denen, wie jedes Jahr, Hunderttausende DDR-Bürger an den Balaton, unweit der ungarisch-österreichischen Grenze,
     fuhren, bekam die Fluchtbewegung eine neue Dimension. Jetzt ergab sich der Nachrichtenwert aus den steigenden Flüchtlingszahlen.
    Tagesschau, 7. August 1989: Im Hintergrund wird die Schlagzeile »Zustrom von DDR-Flüchtlingen« eingeblendet. »Jetzt werden
     Rekorde gebrochen«, kommentiert der Sprecher. Einige Hundert DDR-Bürger waren binnen weniger Tage über die ungarisch-österreichische
     Grenze geflohen. Allerdings hatten allein im ersten Halbjahr 1989 mehr als 45 000 DDR-Bürger das Land legal, über das behördliche
     Ausreiseverfahren, verlassen. Schließlich wird in der Sendung darauf hingewiesen, dass Reisen von DDR-Bürgern nach Ungarn
     »bisher« noch nicht behindert würden.
    Tagesschau, 13. August: Im Zusammenhang mit den steigenden Flüchtlingszahlen an der ungarisch-österreichischen Grenze wird
     jetzt auch über die Situation der Botschaftsflüchtlinge berichtet. »Die Menschen in der Botschaft«, sagt der ARD-Korrespondent
     Wilfried Hommen zur Lage in Budapest, »haben einmütig und unmissverständlich erklärt, dass sie auf keinen Fall in die DDR
     zurückkehren wollen. Bonn wird sie andererseits nicht auf die Straße setzen.«
    Tagesschau, 14. August: Es wird berichtet, dass in den vergangenen drei Tagen 200 Menschen die Flucht über die ungarischösterreichische
     Grenze gelungen sei. Jedoch seien im gleichen Zeitraum 471 Flüchtlinge bei dem Versuch an der Grenze gestellt worden.
    Tagesschau, 18. August: Ein Bericht gibt Hinweise auf eine vom |263| Malteser Hilfsdienst nahe der westdeutschen Botschaft in Budapest eingerichtete Zeltstadt. Dort werde »für das leibliche Wohl
     und die Hygiene gesorgt«, es sei noch ausreichend Platz vorhanden.
    Tagesschau, 19. August: Aufmacher ist die Meldung, dass 600 Menschen fliehen konnten. Ein Bericht zeigt Menschen, die es geschafft
     haben und vor Glück ganz außer sich sind. »Freiheit«, sagt einer der Glücklichen in die Kamera, »ich kann es noch gar nicht
     fassen.« Eberhard Büssum, ARD-Korrespondent in Ungarn, weist auf die leeren Wachtürme hin und erwähnt, dass »auch hier bald
     alles abgebaut wird«.
    Tagesschau, 20. August: Wieder wird die Flucht von einigen

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