Abbild des Todes
eine unerklärliche, nicht zu kontrollierende Macht ließ sie sich noch einmal herumdrehen.
“Ich mag es lieber, wenn du dein Haar offen trägst.”
6. KAPITEL
S ie hat sich kein bisschen verändert, oder?” Lenny beobachtete Zoes Abgang aus dem Club. “In ihr brennt noch immer das gleiche Feuer, schärfer als Jalapeños.”
Rick blickte ihr wortlos hinterher. Sie war eine der wenigen Frauen, die er kannte, die beim Verlassen eines Raumes genauso gut aussahen wie beim Betreten.
Lenny hatte recht. Sie hatte sich nicht verändert. Sie hatte noch das gleiche aufbrausende Temperament und den gleichen Sturkopf. Wenn sie einmal eine Idee verfolgte, egal ob gut oder schlecht, gab sie nicht eher Ruhe, bis jedes Detail analysiert war. Und was ihr Aussehen betraf – sie war immer noch umwerfend, sogar mit dem strengen Zopf, der ihr über den Rücken hing. Zum Glück hatte sie ihre Haarfarbe nicht geändert. Er hatte gehört, dass einige Frauen das nach einer Scheidung taten. Entweder schnitten sie ihre Haare radikal ab oder probierten vollkommen verrückte Farben aus. Zoe hatte beides nicht getan, und darüber war er froh. Er liebte ihre Haare, das tiefe natürliche Rotbraun, das so einen herrlichen Kontrast zu ihrer hellen sommersprossigen Haut bildete. Wie oft hatte er seine Hände in der vollen lockigen Mähne vergraben? Oder ihre Sommersprossen geküsst, eine nach der anderen? Oder ihrer rauchigen verführerischen Stimme gelauscht, die “Nicht aufhören!” flüsterte?
“Es muss dich ja fast aus den Socken gehauen haben, als sie plötzlich vor dir stand.”
Rick hatte beinahe vergessen, dass Lenny neben ihm hinter dem Tresen stand. “Was mich daran erinnert, dass du mich ruhig hättest vorwarnen können.”
“Ach komm, Boss. Wo wäre denn da der Spaß geblieben?”
“Und ich bin ganz sicher, dass du jede Minute genossen hast.”
“Ich gebe zu, dass es irgendwie nett war, sie mal wieder hier zu haben, so wie in alten Zeiten, als wenn sie niemals weg gewesen wäre. Komisch, oder? Wie einige Leute bestimmten Plätzen ihren Stempel aufdrücken können. Die Kleine kommt hier nach sechs Jahren wieder rein und …”
Das war mehr, als Rick ertragen konnte. “Lass gut sein, Lenny, okay?”
Lenny grinste. “Entschuldige. Wollte keine alten Wunden aufreißen.”
“Das hast du auch nicht.”
“Wenn du das sagst …” Lenny öffnete die Kasse, entnahm eine Rolle Münzen und schlug sie gegen die Kante der Schublade. “Was wollte sie denn überhaupt?”
“Sie hat eine Leiche gefunden.”
“Jemanden, den wir kennen?”
Rick legte Zoes Zeichnung auf die Bar.
Lenny öffnete erstaunt den Mund. “Lola?”
“Du findest, dass es ihr ähnlich sieht?”
“Ja, und wie. Lola ist tot?” Er klang, als würde er gegen seine Tränen ankämpfen – genauso hatte Rick sich vor ein paar Minuten auch noch gefühlt.
“Zoe glaubt es, aber du weißt ja, was für eine ausgeprägte Fantasie sie hat.” Er wiederholte, was sie ihm erzählt hatte, nahm die Zeichnung wieder an sich und steckte sie in die Innentasche seines Smokings. “Es handelt sich sicher nur um ein Missverständnis. Oder um eine Verwechslung. Habe ich nicht irgendwo mal gelesen, dass wir alle jemanden haben, der so aussieht wie wir?”
“Wie solltest du ihr helfen?”
“Sie mit den Angestellten reden und in Lolas Leben herumwühlen lassen.”
“Und der Art nach zu urteilen, wie sie hinausgestürmt ist, hast du Nein gesagt.”
“Was hast du denn von mir erwartet? Dass ich ihr den Club überlasse? Dass sie bei meinen Mitarbeitern Miss Marple spielen kann?”
Lenny schloss die Kasse, stützte die Arme auf den Tresen und blickte seinem alten Freund direkt in die Augen. “So gut ich dich auch kenne … manchmal verstehe ich dich einfach nicht.”
Auch wenn Zoe nun schon eine Weile fort war, hielt Rick seinen Blick immer noch auf die Tür gerichtet. “Was verstehst du nicht?”
“Wieso ein so kluges Kerlchen wie du immer die falschen Entscheidungen trifft.”
Rick sah ihn finster an. “Ist das wieder eine deiner tiefschürfenden Beobachtungen, denen ich nie folgen kann?”
“Ich drücke es für dich mal ganz leicht verständlich aus: Du hast soeben jede Chance verspielt, die du vielleicht noch gehabt hast, um Zoe wieder zurückzugewinnen.”
Rick wandte sich von der Bar ab und verschwand in Richtung seines Büros. “Wer hat denn was davon gesagt, dass ich sie zurückhaben will?”
Aus dem Taxi, das sie nach Hause brachte, rief Zoe
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