Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
Sohn trifft Entscheidungen, die ganz und gar nicht gut sind, und ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber er ist nicht ganz richtig im Kopf«, sagte ich. »Wenn Sie ihm eine Machtposition anvertrauen, wird er Sie enttäuschen, das versichere ich Ihnen.«
Kapordelis gefiel meine Einschätzung nicht und seine dunkel glänzenden Augen wurden noch ein bisschen dunkler. »Sie irren sich«, sagte er. »Mein Sohn Demetrius liebt seinen Vater und würde mich nie enttäuschen.«
Linke Seite, Schweregefühl. »Mr Kapordelis, ich irre mich nicht, ernsthaft«, beharrte ich, während die Nachricht sich lautstark in meinem Kopf Gehör verschaffte. »Ihrem Ältesten darf man nicht vertrauen, besonders nicht, wenn es um Familienangelegenheiten geht...«
Er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch, dass ich erschrocken zusammenfuhr. Klugerweise ließ ich das Thema fallen und befasste mich mit dem nächsten Sohn. »Wie auch immer, Ihr Ältester ist möglicherweise keine so gute Wahl. Ihr zweiter Sohn ist Künstler, ja?«
Er nickte. »Darius ist sehr begabt.«
»Er ist in der Ausbildung?«
»Ja, er macht den Master an der Universität von Chicago und ist im letzten Jahr.«
»Er ist wirklich sehr begabt, Mr Kapordelis. Ich sehe seine Arbeit ...« Vor meinem inneren Auge erschien eine Skulptur. »Er macht Plastiken, ja?«
»Ja.«
»Aus Metall, nicht wahr? Nicht aus Lehm, sondern Metall, stimmt’s?«
»Das stimmt, Miss Cooper.«
»Ich sehe, dass er eines Tages damit berühmt wird. Ich sehe ihn als gefragten Künstler, besonders an der Westküste. Hat er vor, nach Kalifornien zu ziehen?«
Kapordelis lachte leise. »Er spricht von nichts anderem. Sobald er mit der Ausbildung fertig ist, will er dort hinziehen, aber ich möchte, dass er hier bei seiner Familie bleibt.«
»Na dann, viel Glück«, erwiderte ich spöttisch, denn dieser junge Mann würde seine Pläne auf keinen Fall aufgeben, aber manchmal müssen Eltern von selbst draufkommen. Ich ging zum nächsten Sohn über. »Gut. Ihr dritter ...« Ich stockte und konnte mich gerade noch bremsen, die Augen zu verdrehen. Super. Hier würde ich jedes Wort abwägen müssen. »Mr Kapordelis, wissen Sie, dass Ihr dritter Sohn ein Drogenproblem hat?«, fragte ich vorsichtig.
Er nickte ernst. »Ja. Ich weiß von Dorians Experimenten.«
Oh Mann, wie naiv kann man eigentlich sein? »Es tut mir leid, dass ich der Überbringer schlechter Nachrichten sein muss, aber wie ich höre, ist Dorian über die Experimentierphase weit hinaus. Der Junge hat ernste Probleme.« Ich sah einen kleine Vogel im Käfig sitzen und auf einer Schaukel hin- und herschwingen. »Wenn er nicht aufpasst, landet er im Gefängnis. Ich sage Ihnen, er wird geschnappt, und offen gestanden ist das gar nicht schlecht für ihn, wenn man seinen Zustand bedenkt. Das Gefängnis könnte ihm das Leben retten oder jemand bringt ihn in eine Entziehungsklinik, und am besten sofort.«
Kapordelis’ Augenbrauen senkten sich erneut in die Gefahrenzone. Er mochte es wirklich nicht, wenn man ihm die Unzulänglichkeiten seiner Söhne vor Augen führte. Ich wandte mich dem nächstjüngeren Sohn zu. »Aha. Ihr Vierter ist es, der das Geschäft erben sollte. Er ist ein kluger Kopf und kann gut mit Geld umgehen. Dafür hat er ein ganz besonderes Händchen, er kann Dreck zu Gold machen, sagen meine Geister. Man kann ihm vertrauen, er ist ein Mann, der sein Wort hält. Es überrascht mich, dass Sie ihn nicht längst von selbst in Erwägung gezogen haben. Er ist die naheliegende Wahl«, schloss ich triumphierend. Das war ein Kinderspiel gewesen.
Kapordelis sah jedoch nicht glücklich aus. Er wirkte sogar völlig verwirrt. »Wen habe ich nicht in Erwägung gezogen, Miss Cooper?«
»Ihren vierten Sohn. Sie haben doch vier Söhne, oder?«
Ein paar Augenblicke lang sah er mich forschend an, dann antwortete er langsam: »Nein, ich habe drei Söhne und eine Tochter.«
Das verblüffte mich total. Bei Zahlen liege ich selten daneben, und genauso selten bei Kindern oder Geschwistern. Ich sah ihn groß an, dann bat ich meine Crew, die Zahl zu bestätigen. Das taten sie. Was war mir entgangen?
Dann kam mir ein Gedanke. »Haben Sie vielleicht einen Neffen, der für Sie wie ein Sohn ist? Oder einen engen Freund der Familie, der Ihnen nahesteht?«
Kapordelis dachte nach. »Möglicherweise ...«, sagte er dann.
»Manchmal kommt man nicht auf das Naheliegende und muss eine Weile überlegen. Es könnte auch ein Stiefsohn sein. Haben Sie einen
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