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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

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dass das der Fall sein würde. Nur fragte er sich, mit welcher Art von Gefühlen sie das tun würden.
     

Sechstes Kapitel
     
    Wie sehr sich Captain Winston über jeden Passagier freute, der gegen gutes Geld die Kent auch weiterhin als sein Logis auserkoren hatte, so eilig hatte er es, die Sträflinge von Bord zu bekommen. Die Admiralität hatte der East India Company für jeden Deportierten eine pauschale Summe gezahlt, die näher bei fünfzehn als bei zwanzig Pfund lag. Jeder Tag, den sie also länger als nötig an Bord waren, schmälerte den sowieso schon kargen Profit. Und so hatte er die Anweisung erhalten, sich der menschlichen Fracht so schnell wie möglich zu entledigen, sobald sie Sydney erreicht hatten.
    Deshalb war er froh, dass der Kutter mit dem Beauftragten des Gouverneurs schon längsseits ging, kaum dass die Kent eine Stunde vor Anker lag. Mit dem Beauftragten kam auch ein Offizier vom New South Wales Corps an Bord, Captain Trenton, ein stämmiger Mann mit schon lichtem Haar und einem etwas aufgedunsenen Gesicht. Captain Winston war froh, diesen beiden Männern zusammen mit Lieutenant Glennwick die Ausschiffung der Sträflinge überlassen zu können. Er hatte genügend andere Arbeiten zu erledigen.
    Abby, Megan, Rachel und ihre Leidensgefährtinnen waren trotz aller Befürchtungen nicht minder begierig, endlich das enge, stickige Quartier verlassen und sich mit eigenen Augen das Land anschauen zu können, das von nun an ihre Zwangsheimat war. Denn keiner glaubte daran, jemals England wieder zu sehen.
    »Alles an Deck!«, schallte endlich der Befehl, auf den sie alle seit dem Morgengrauen mit einer Mischung aus Bangen und zaghafter Hoffnung gewartet hatten, durch die Unterkunft.
    Als Abby die Gittertür passierte und an Charles Dawson vorbeikam, hielt der Wärter sie kurz am Arm fest. Er musterte sie, nickte kaum merklich und raunte ihr zu: »Viel Glück! Und halt den Kopf unten! Es ist einer von ihnen an Bord gekommen, wie ich es geahnt habe.«
    Als sie an Deck trat, tat sie, wie Charles ihr aufgetragen hatte. Sie fühlte sich so, wie sie aussah – abscheulich. Ihr Haar war wie ihr Kleid mit Teer verschmiert und hing ihr weit ins Gesicht, in das sie sich Dreck geschmiert hatte. Der Geschmack, den sie von dem Korkenruß im Mund hatte, mit dem sie sich die Zähne teilweise geschwärzt hatte, war so grässlich, dass sie sich am liebsten erbrochen hätte.
    »Wir sehen aus wie das verkommenste Gesindel aus der Gin Lane in London«, zischte Rachel, die nicht weniger abstoßend aussah, denn Abby hatte ihr Wissen selbstverständlich mit ihr und Megan geteilt.
    »Hauptsache, es wirkt«, antwortete Abby leise.
    »Das werden wir ja gleich sehen«, meinte Megan. »Da drüben steht der verdammte Rotrock!«
    Abby wagte einen schnellen Blick in die Richtung, in die Megan mit dem Kopf gedeutet hatte. Sie sah den stämmigen Offizier in der leuchtend roten Uniform mit den glitzernden Epauletten. Die Arme auf dem Rücken verschränkt und leicht auf den Fußspitzen wippend stand er bei der Mittschiffspforte, wo die Sträflinge über eine Strickleiter von Bord der Kent in den Kutter kletterten. Aufmerksam musterte er die Frauen, die langsam an ihm vorbeikamen. Dann und wann ließ er eine aus der Schlange treten, taxierte sie wie ein Händler ein Tier auf dem Viehmarkt und sprach mit ihr. Was er sprach, konnte sie jedoch nicht verstehen.
    Langsam rückte die lange Schlange vor. Es standen noch vier Frauen vor Abby, als jemand aus dem Kutter hochschrie, dass das Boot voll sei.
    »So ein Mist!«, zischte Rachel. »Warum konnten wir nicht bei der ersten Fuhre sein. Jetzt müssen wir hier warten, bis der verdammte Kahn zurückkommt!«
    Abby hielt den Kopf gesenkt, während Megan einen keuchenden Atem vortäuschte, als Captain Trenton nun langsam die Reihe abschritt. Sie verkrampften sich, als er auf ihrer Höhe war. Doch er schenkte ihr nicht mehr als einen flüchtigen Blick und ging weiter.
    Wäre der Kutter nicht voll gewesen, wäre Abby schon längst im Boot gewesen, als Captain Trenton wieder zurückkam. Er hatte viel Zeit, die Frauen zu mustern. Und plötzlich blieb sein Blick an Abby haften. Er furchte die Stirn, als wäre ihm etwas aufgefallen. »Du da! Komm mal her zu mir!«, forderte er sie auf und zeigte auf sie.
    Abby tat, als wüsste sie nicht, dass sie gemeint war. Sie hielt den Kopf weiterhin zu Boden gesenkt. Ihr Magen zog sich zusammen, und inständig betete sie, dass er vielleicht jemand anders gemeint

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