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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Frost.
    Sie dachte an abgebrannte Bauernhäuser. An Massaker an ganzen Familien. »Sie wissen, wer wir sind«, sagte sie. Und wo wir wohnen.

25
    Im Speisesaal von Abendruh herrschte an diesem Morgen ungewohnte Stille; Schüler wie Lehrer unterhielten sich gedämpft beim dezenten Klirren von Tassen und Besteck. Dr. Wellivers nunmehr verwaister Platz wurde von Dr. Pasquantonio und Ms. Duplessis flankiert, die es beide peinlich vermieden, zu dem leeren Stuhl hinzusehen, auf dem ihre verstorbene Kollegin noch wenige Tage zuvor gesessen hatte. Ist das immer so, wenn man stirbt?, fragte sich Claire. Tun dann plötzlich alle so, als ob man nie existiert hätte?
    »Ist es okay, wenn wir uns zu dir setzen, Claire?«
    Sie blickte auf und sah Teddy und Will mit ihren Frühstückstabletts auf sie herabblicken. Das war ja etwas ganz Neues: gleich zwei Leute, die ihr Gesellschaft leisten wollten. »Von mir aus«, sagte sie.
    Sie setzten sich an ihren Tisch. Auf Wills Teller lag eine deftige Portion Eier und Würstchen. Teddy hatte nur ein armseliges Häufchen Kartoffeln und eine einzige Scheibe trockenen Toast. Die beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können, bis hin zu ihren Vorlieben beim Essen.
    »Gibt es irgendwas, wogegen du nicht allergisch bist?«, fragte sie Teddy und deutete auf seinen Frühstücksteller.
    »Ich hab heute keinen Hunger.«
    »Du hast nie Hunger.«
    Er schob seine Brille hoch, die ihm über die blasse Nase gerutscht war, und wies auf die Würstchen auf ihrem Teller. »Da sind Giftstoffe drin, weißt du das? Industriell verarbeitetes Fleisch, das hoch erhitzt wurde, enthält krebserregende heterozyklische Amine.«
    »Mmh, lecker. Kein Wunder, dass es so gut schmeckt.« Aus purem Trotz schob sie sich das letzte Stückchen Wurst in den Mund und kaute genüsslich. Wenn man mal eine Kugel in den Kopf gekriegt hat, sieht man solche Kleinigkeiten wie die Gefahren von Karzinogenen mit etwas anderen Augen.
    Will beugte sich zu ihr herüber und sagte leise: »Gleich nach dem Frühstück gibt es eine Sonderversammlung.«
    »Was für eine Versammlung?«
    »Ein Treffen der Schakale. Sie wollen, dass du auch kommst.«
    Sie fixierte Wills pickliges Mondgesicht, und plötzlich kam ihr ein Wort in den Sinn: endomorph. Das hatte sie aus ihrem Gesundheits-Lehrbuch; eine viel freundlichere Bezeichnung als die, mit denen Briana Will hinter seinem Rücken bedachte: Fettsack. Pickelschwein. Claire hatte so vieles mit Will gemeinsam und auch mit Teddy. Sie waren die drei Außenseiter, zu seltsam oder zu dick oder zu kurzsichtig, um je an den Tisch der coolen Jungs und Mädels gebeten zu werden. Dann würden sie eben diesen hier zu ihrem eigenen machen: der Tisch für die Ausgestoßenen.
    »Kommst du?«, fragte Will.
    »Warum wollen die mich bei ihrer blöden Versammlung dabeihaben?«
    »Weil wir darüber reden müssen, was mit Dr. Welliver passiert ist.«
    »Ich hab doch schon allen erzählt, was passiert ist«, sagte Claire. »Ich hab’s der Polizei erzählt. Ich hab’s Dr. Isles erzählt. Und …«
    »Er meint, was wirklich passiert ist«, unterbrach Teddy sie.
    Sie sah ihn an und runzelte die Stirn. Teddy, der ektomorphe Typ, noch so ein Wort, das sie aus diesem Gesundheitsbuch aufgeschnappt hatte. Ekto wie in Ektoplasma , bleich und schmächtig wie ein Geist. »Willst du behaupten, dass ich nicht die Wahrheit gesagt habe?«
    »So hat er das gar nicht gemeint«, sagte Will.
    »So hat es sich aber angehört.«
    »Wir fragen uns nur – die Schakale fragen sich …«
    »Redet ihr etwa hinter meinem Rücken über mich, ihr und die anderen im Club?«
    »Wir versuchen zu verstehen, wie es passiert ist.«
    »Dr. Welliver ist vom Dach gesprungen und auf dem Boden aufgeklatscht. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen.«
    »Aber warum hat sie es getan?«, fragte Will.
    »Ich kann dir die meiste Zeit auch nicht sagen, warum ich das tue, was ich tue«, entgegnete sie und stand auf.
    Will beugte sich über den Tisch und fasste ihre Hand, um sie zurückzuhalten. »Kannst du denn irgendeinen Sinn darin erkennen, dass sie vom Dach gesprungen ist?«
    Sie starrte auf seine Hand hinunter, die ihre berührte. »Nein«, gab sie zu.
    »Und deshalb solltest du kommen«, beschwor er sie. »Aber du darfst mit keinem darüber reden. Julian sagt, es ist nur für die Schakale bestimmt.«
    Sie blickte zu dem Tisch, wo Briana mit den glänzenden Haaren saß und mit den anderen coolen Kids plauderte. »Wird sie auch dabei sein? Ist das

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