Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Schuhe zubinden kann, ohne sich bücken zu müssen. Oder er sieht vorher ein, dass es absolut überflüssig ist, soviel Wasser mit sich rumzutragen, da alle paar Kilometer ein Trinkwasserbrunnen sicher auch für ihn ein paar Tropfen abwirft. Ich werde es wohl nicht erfahren, da er mit seinem vielen Ballast nur sehr langsam unterwegs ist.
Kurz vor Viana kam ich mit Marco ins Gespräch, einem Ami, der aussieht wie ein Spanier und vielleicht deshalb im Februar diesen Jahres ganz auf die iberische Halbinsel gezogen ist. Viana vermittelte keinen schönen ersten Eindruck. Industrieanlagen und schmucklose Wohnsiedlungen empfingen mich. Sah eher so aus, als wenn ich durch diesen Ort schnurstracks durchmarschieren würde. Tja, manchmal täuscht man sich, in diesem Fall tat ich das gerne. Viana hat einen richtig netten Altstadtkern mit schmalen Gassen, ein paar schicken Häusern und gemütlichen Bodegas. In der (natürlich) reich ausgestatteten Kirche lief über Lautsprecher meditative Entspannungsmusik. Nett zwar, aber wenn ich die Augen schloss, wähnte ich mich eher in einer Wellness-Oase. Wobei, ist nicht auch eine Kirche eine Art Wellness-Oase? Eine für Geist und Seele? Eigentlich schon, oder? Aber wozu dieser Pomp? Geist und Seele brauchen den nicht!
Es war gerade 11 Uhr, genau die richtige Zeit für ein lecker Bierchen, wie ich fand. Bei uns in Preußen vielleicht eher unüblich, nehme ich mir in dieser Beziehung gerne die Bayern zum Vorbild. Ich denke, am Viktualienmarkt steht um diese Zeit auch schon die eine oder andere Maß auf dem Tisch. „In diesem Sinne, Prost ihr Bayern!“ Mit diesem laut ausgesprochenen Trinkspruch nahm ich meinen ersten Schluck zu mir. Im Gegensatz zu Frankreich wird mein Bierkonsum hier nicht durch horrende Preise gebremst. Ich wehre mich nicht dagegen, schließlich ist Bier ja ein ausgezeichneter Energielieferant. Und in Maßen hat’s noch keinem geschadet. Ich suchte mir einen sonnigen Tisch vor einer kleinen Bodega, um diese Zeit musste es noch kein Schatten sein. Bei den vielen Pilgern, die an mir vorbeizogen, geriet ich ans überlegen, wen ich schon gesehen hatte und wen nicht. Einen von ihnen erkannte ich wieder, mit ihm hatte ich mich ein paar Stunden vorher in Torres del Rio unterhalten. Er fragte mich, ob er sich zu mir an den Tisch setzen könne. Klar, warum nicht! Er heißt Ludger, kommt aus Koblenz, ist 53 Jahre alt, sieht aber viel jünger aus. Gestartet ist er vor einigen Tagen in Pamplona, inspiriert durch das Buch von Hape Kerkeling. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und unterhielten uns prächtig. Ludger wollte eigentlich in Viana seinen Tagesmarsch beenden, schloss sich jedoch nach kurzer Überlegung mir an und begleitete mich auf den 10 Kilometern bis Logroño.
Kurz hinter Viana verließen wir die Region Navarra und enterten La Rioja, bekannt durch seinen guten Wein. Bis zu seiner Hauptstadt, die schon unter einer Dunstglocke zu erkennen war, erwarteten wir einen nicht sehr sehenswerten Abschnitt. Über flaches Gelände würden wir schnell im Großraum der 140.000 Einwohner-Stadt angekommen sein, so unsere Mutmaßung. Mit landschaftlichen Höhepunkten war da nicht mehr zu rechen. Egal, dafür hatte ich ja Kompanie, mit der die Zeit bis Logroño wie im Fluge verging. Schon relativ schnell unterhielten wir uns auch über Privates und Persönliches. So etwas nennt man wohl gleiche Wellenlänge. Nebenbei, ganz so unansehnlich wie gedacht war der Weg in die Stadt gar nicht. Die Hitze verursachte bei ebenem Streckenprofil auch keinerlei Anstrengung mehr. Alles ganz easy! Richtig froh war ich, dass ich an meinem linken Knöchel beinahe keine Schmerzen mehr spürte.
Ich schlug Ludger vor, dass wir uns eine Pension suchen und dort ein Doppelzimmer teilen. Er war sofort einverstanden, kann auch ein bisschen Ruhe vertragen. Er war letzte Nacht in der anderen großen Herberge von Los Arcos, wo es ihm sehr gut gefallen hat. Dort herrschte eine tolle Stimmung. Da habe ich wohl mit meiner Wahl mal danebengelegen. Egal, vergessen, vorbei! In Logroño lief alles wie am Schnürchen. Kurz vor der Siesta erwischten wir gerade noch die Touristen-Info und ergatterten anschließend das letzte freie Zimmer in der empfohlenen Pension. Super gelegen, mitten in der Stadt, in einer ruhigen Seitengasse, perfekt! Und vom Standard nicht mit der in Pamplona zu vergleichen, da ist sie um Längen besser.
Noch vor 15 Uhr standen wir frisch „geschniegelt“ im Freizeitdress in
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