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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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voran. Er wird es schaffen!
    Auf dem Camino trifft man si ch immer und überall! Auch Eileen, Torsten und Jos sind in Sahagún. Zusammen mit einem Österreicher und einer Australierin bildeten wir eine Gruppe in einem richtig ansprechenden Restaurant. Insgesamt sind die Lokale hier in Spanien bei weitem geschmack- und liebevoller eingerichtet als in Frankreich. Das ist ein wirklich frappierender Unterschied.
     
    Tja, war doch trotz anfänglicher Langeweile noch ein richtig netter Tag. Morgen soll die Meseta selbst wieder für etwas mehr Abwechslung sorgen. Ist mir sehr recht. Müdigkeit entwickelt sich immer mehr zu einem Fremdwort für mich. Alles ist so programmiert, dass mir keine Entfernung mehr etwas auszumachen scheint. Ich wundere mich jeden Tag aufs Neue. Wenn ich da an die ersten Wochen denke. Kein Vergleich! Jos geht es genauso, scheint also normal zu sein. Der Körper passt sich eben schnell an. Da wird für mich auch nachvollziehbar, wie Menschen zu immer neuen Höchstleistungen gelangen können, zum Beispiel bei Extremsportarten. Davon bin ich zwar weit entfernt, glaube aber, dass ich in einem Monat so weit wäre, täglich um die 50 km zu gehen. Trotzdem, nur nicht übermütig werden! Immer schön auf dem Teppich bleiben! Es sind noch 380 km bis Santiago...
    Tag 71, Sahagún – Puente Villarente 43,5 km
     
    Am liebsten hätte ich heute M orgen laut gerufen: „Kann nicht jemand diese dämliche Straße wegschaffen?“ Wieder einmal begannen die ersten Kilometer des Tages wenig ansprechend. In Calzada del Coto wurde ich, wie alle anderen Pilger auch, vor die Wahl gestellt, der Straße weitere 18 km zu folgen oder eine ganz abgeschiedene Route durch die Wildnis zu nehmen. Welch eine schwere Wahl! Raus in die Wildnis, war doch klar! Bis Calzadillo de los Hermanillos ging es aber erst mal noch durch die Zivilisation. Dort kehrte ich zunächst für einen Milchkaffee ein. Gleiches taten Eileen und Torsten, mit denen ich anschließend die ersten 3-4 Kilometer gemeinsam in Angriff nahm. Danach wurde entweder ich schneller, oder die beiden schalteten einen Gang zurück, weil sie vielleicht alleine sein wollten. Irgendwann verlor ich sie in der steppenähnlichen Landschaft aus den Augen. Außer einem Pilger hoch zu Ross begegnete ich in dieser verlassenen Gegend keinem Menschen. Die meisten schienen tatsächlich den Weg entlang der Straße gewählt zu haben. Vielleicht, weil er 800 m kürzer ist!? Wenn die gewusst hätten, wie ursprünglich sich auf „meinem“ Abschnitt die Natur präsentiert hat. Keine künstlichen Felder mehr, tatsächlich so was wie Wildnis. Ganz weit weg waren die Umrisse der Berge zu sehen. Das war richtig schön, so einsam und unberührt hätte es in der Meseta ruhig öfter sein können. Die vielen Stücke entlang der Straße nehmen doch eine Menge der ihr zugeschriebenen Einzigartigkeit und zerstören dadurch das ganz große Naturerlebnis.
     
    Aber heute ließ es sich wirklich genießen! Das Wetter blieb Meseta-untypisch. Viele Wolken, wenig Sonne, steifer Wind und unter 20° C. Zum Wandern indes wieder einmal optimal. Die Entfernung spielte keine Rolle. Frei von emotionalen Höhenflügen wie noch vor ein paar Tagen, aber auch frei von negativen Regungen jeglicher Art zog ich in völliger Ausgeglichenheit und einer fast manifestierten Zufriedenheit meines Weges. Mich beschäftigte nichts, ich war mit mir und der Welt im Reinen. Kurz vor Reliegos sah ich Jos, der sich an einer unklaren Weggabelung zu orientieren versuchte. Gemeinsam entschieden wir uns für eine (die richtige!) Variante und standen kurz darauf für einen Kaffee am Tresen einer Bar. Hier sammelten sich bereits ein Dutzend anderer Pilger. Wenn ich die Nachricht am Fernseher richtig gedeutet habe, hat Real Madrid soeben Bernd Schuster als Trainer verpflichtet. Hier in Spanien die Meldung des Tages, die alle anderen Nachrichten in den Schatten stellt.
     
    Jos und ich ticken nach so langer Pilgerreise scheinbar in vielen Punkten gleich. Wie ich hat auch er das Gefühl, dass die innere Einkehr langsam vorüber ist. Es ist nun mehr die einfache Freude am Gehen, die Begegnung mit immer anderen Menschen und das großartige Gefühl von Freiheit und Ungebundenheit, das uns diesen Weg weiter so gerne beschreiten lässt, nicht zu vergessen natürlich, das große Ziel Santiago auch wirklich zu erreichen. Ich habe im Moment noch keine Vorstellung, wie ich die Ankunft dort erleben könnte. Völlig überwältigt, emotionslos oder gar

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