Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
mich mal überraschen lassen was passiert, das ist mir ohnehin am liebsten. So, genug davon – jetzt bin ich noch auf dem Jakobsweg, und das ist gut so!
Carrión de los Condes bietet nicht großartig was fürs Auge, früher soll es mal eine glanzvolle Stadt gewesen sein. 14 Hospitäler haben im 15. Jahrhundert den Pilgern Zuflucht und Erholung geboten. Lang, lang ist’s her. Die alte Zeit bezeugen heute noch die Kirchen des Ortes, deren Türme auch hier vielen Störchen ein Zuhause geben. Dieses Bild bekomme ich nun schon seit Logroño in fast jedem Ort geboten und doch gefällt es mir immer wieder aufs Neue. Eine der Kirchen habe ich mir von innen angeschaut. Sie wirkte auf mich eher unharmonisch, die ehemals kunstvollen Altäre weisen deutliche Spuren vom nagenden Zahn der Zeit auf. Der Holzwurm scheint sich hier nach Herzenslust austoben zu können.
Mit der Rückkehr in unsere bescheidene Unterkunft begann es zu regnen und stürmen, richtig kühl ist es inzwischen geworden. Mit Meseta-Wetter hat das nun wirklich nichts zu tun. Tja, auch hier spielt die Natur eben ein bisschen verrückt. In Ermangelung an Alternativen legte ich mich entgegen meiner Gewohnheiten etwas
aufs Ohr, schreibe nun Notizen zu einem Tag, der wenig geboten hat. Währenddessen betritt Jos das Zimmer und sichert sich das letzte freie Bett. Ziemlich durchnässt kommt er an, ist voll in den Schauer reingeraten. Er muss heute eine ähnliche Distanz zurückgelegt haben wie ich gestern.
Inzwischen sind ein paar Stunden vergangen. Zum Abendessen traf ich mich mit Jos, natürlich gab‘s das Pilgermenü. Erstmals kamen wir ausführlicher ins Gespräch. Unser beider Weg bot dafür ja auch eine Menge Stoff, schließlich sind wir ähnlich lang unterwegs, Jos sogar noch etwas länger. Beim Absacker in einer Bar (Bier 0,3 l für nur 1,-€, da muss man ja trinken!) wurden wir von einem übel riechenden Zeitgenossen angequatscht und genötigt, irgendeinen lokalen Schnaps zu trinken. Bah, hatte der eine Fahne! Er erzählte uns, dass er angeblich eine Albergue in Finisterre aufgemacht hat und sabberte uns noch einigen unverständlichen Brei ins Ohr. Das Signal, unser Schlafquartier aufzusuchen! Die anderen schlafen schon, die Luft in dem kleinen Raum ist zum Schneiden – Erstickungsgefahr! Wieso ist das Fenster zu? Ich frage mich, wie man bei so einem geringen Sauerstoffgehalt überhaupt schlafen kann. Nun denn, nach ein paar Minuten Frischluftzufuhr wird’s langsam besser, einschlafen erscheint jetzt möglich. Gute Nacht!
Ein paar Impressionen…
…
Tag 70, Carrión de los Condes - Sahagún 41 km
Schalte Hirn ab! Das Gehen war die pure Langeweile. 18 km schnurgerade, topfebene Strecke durch noch grüne Getreidefelder und unbewirtschaftete Ackerflächen. Das Wetter: kühl und trüb! Es gab nix zu sehen, null Abwechslung. Schön aber, dass der Weg wenigstens nicht in der Nähe der Straße verlief. Dafür war ich heute mit vielen anderen Pilgern auf der Strecke. In Carrión de los Condes stehen gleich mehrere Herbergen, daher der Betrieb. Kennen tat ich kaum einen. Nur wenige unterhielten sich, jeder schien sich in dieser Einöde ausgeklinkt zu haben. Ich schaltete den Turbo ein, um sie schnell hinter mich zu bringen. Mein Kopf war leer! Nichts, rein gar nichts beschäftigte mich. Ich ging nur, und ging und ging. 3 Stunden brauchte ich für die 18 km, dann erreichte ich den ersten Ort, Calzadilla de la Cueza. Nicht schön, aber ein Geschenk, denn es gab Milchkaffee. Ich traf dort auf Jos und Heidi, die Kanadierin, und freute mich über ein bisschen Unterhaltung. Auf dem folgenden Stück wurde es insgesamt etwas interessanter, da öfters mal eine kleine Ortschaft für Abwechslung sorgte, besonders Lédigos mit seinen Lehmhäusern war ganz urig. Auch die Sonne ließ sich nun öfter blicken. In Terradillos de los Templarios schloss ich mich mit Heidi zusammen. Von da an war es richtig kurzweilig. Wir unterhielten uns prima über Gott, die Welt und persönliche Dinge. Heidi nutzt den Weg für eine private Neuorientierung. Sie ist seit 2 Jahren geschieden, seither solo, möchte aber unbedingt eine Familie mit Kindern gründen. Gleichzeitig hört sie ihre biologische Uhr ticken. In dem Bemühen, den richtigen Mann zu finden, hat sie sich zuletzt viel zu sehr unter Druck gesetzt, Torschlusspanik hat sich breit gemacht. Sie will nun endlich die richtige innere
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