Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Die Wegführung und Kennzeichnung ist beispielhaft!
Nicht nur das, auch die Stadt selber ist wirklich sehr sehenswert. Besonders der Blick von der Fußgängerbrücke über die Yonne auf die Altstadt ist herrlich. Imposant thronen die alte Abtei und die Kathedrale über allen anderen Bauwerken und sorgen so für eine einzigartige Charakteristik von Auxerre. Der mit 3,5 km angegebene Rundweg führte mich durch eine verwinkelte Altstadt mit liebevoll restaurierten Häusern, vorwiegend im Fachwerkstil. Dabei erhielt ich eine Menge Erklärungen zur umfangreichen Geschichte einzelner Standorte.
Unter anderem hatte der bekannteste französische Verbrecher des Jahrhunderts, Marcel Petiot hier sein Geburtshaus. Für nicht weniger als 63 Tötungsdelikte übernahm er die Verantwortung, allerdings wurden ihm „nur“ 27 Morde offiziell nachgewiesen. Auch das reichte für die Hinrichtung durch die Guillotine im Jahre 1946... .
Weniger blutrünstig, aber nicht minder interessant ist die winzige Weinanbaufläche mitten in der Stadt. Sie gehört zu einem der ältesten Weingüter Frankreichs, fand bereits im 7. Jahrhundert erstmals Erwähnung und war ursprünglich im Besitz der Mönche, die in der Abtei lebten. Heute gehört diese Weinanbaufläche zu einer psychiatrischen Anstalt. Wäre mal interessant zu wissen, unter welchem Namen der Wein vertrieben wird!? Vielleicht „Crazy Vineyard“… . Kostbar ist er in jedem Fall. Interessenten müssen mitunter einige Jahre Wartezeit in Kauf nehmen, um in den Besitz des seltenen Tropfens zu kommen. Wahrscheinlich spielt es dabei gar keine Rolle, ob er schmeckt oder nicht. Ist wohl mehr ein Sammlerobjekt.
Auch den diversen Gotteshäusern stattete ich natürlich einen Besuch ab. Sie sind durchaus sehenswert, werden aber am Ende meines Weges wohl nicht mehr sein als eine Randnotiz im Fundus reichhaltiger Erinnerungen. Das gilt jedoch nicht für den äußeren Anblick! Der ist großartig, besonders durch das Zusammenspiel mit den anderen Bauwerken und die gesegnete Lage. Haften bleiben wird mir die Begegnung mit einer sehr alten Frau in der Kathedrale. Sie hat mir mit so stark zitternder Hand einen Stempel in meinen Pilgerausweis gedrückt, dass dieser nur noch als verschmierter Farbklecks zu erkennen ist. Eigentlich wollte ich die Greisin dazu bewegen, mir den Stempel zu geben, um den Abdruck selbst vornehmen zu können - weil sie so zitterte. Nun erzählt er seine ganz eigene Geschichte. Allein die Tatsache, dass ich so viele Kirchen besuche, zeigt mir, dass ich auf dem Jakobsweg bin. Bisher habe ich mich nie sonderlich für sie interessiert, mal abgesehen von gelegentlichem Staunen über herausragende äußerliche Merkmale, wie kunstvollen Fassaden oder verschwenderischen Prunk. Auf dem Camino ist das anders. Da kann ich mich ihrer Aura vielfach nicht entziehen und bilde mir ein, dass sie mir Geborgenheit, Sicherheit und Energie schenken. Es ist sonderbar… .
Ich weiß nicht, wie lange ich in der Stadt unterwegs war, 5 oder 6 Stunden auf alle Fälle. Hinterher war ich jedenfalls platter als nach 30 km normalen Pilgermarsches. Immerhin kenne ich nach dieser Tour wahrscheinlich so ziemlich jede Gasse Auxerres. Und über die Geschichte weiß ich jetzt vielleicht mehr als so mancher Einheimischer. Nun, umgekehrt geht‘s mir häufig genauso. Manchmal habe ich von Besuchern Dinge über meine „Heimat“ erfahren, von denen ich vorher nicht den blassesten Schimmer hatte. Ungewöhnlich? Glaube ich nicht! Das Entfernte übt halt auf viele Menschen einen weitaus größeren Reiz aus als das, was vor der eigenen Tür liegt und passiert. Bei mir könnte es aber auch daran liegen, dass ich nicht wirklich heimatverwurzelt bin. Wenn mir jemand sagen würde, ich müsse mein Zuhause morgen verlassen, würde ich meine Koffer packen und fragen: „Wohin?“. Okay, ich würde sicher nicht überall hingehen, habe schon so meine Vorlieben… .
Obwohl Auxerre wirklich schön ist, hier wollte ich zum Beispiel nicht wohnen. Zu eng und leider auch durch viel zu viel Verkehr „verseucht“. Aber in welcher Stadt ist das heute nicht mehr so?
Vor dem Abendessen war es mir vergönnt, ein paar der wenigen Sonnenstrahlen des Tages zu erhaschen. Direkt am Ufer der Yonne mit dem einzigartigen Blick auf die Altstadt ein paar wunderbare Momente! Das war schon alles an diesem von Kultur und Geschichte geprägten Tag. Es war eine gute Entscheidung, in Auxerre einen Tag Pause zu machen. Die
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