Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
nickte. Opa griff sich die Zeitung und verschwand im Wohnzimmer.
»Oma«, sagte ich leise. »Ich muss dich etwas fragen.«
»Nur zu.«
»Ich glaube, Olli hat geschummelt.«
»Wobei?«
»Bei Romeo und Julia. Erst hat er es gar nicht kapiert, und plötzlich ruft er mich mit der Lösung an. Findest du das nicht seltsam?«
Oma schaute mich ernst an. »Habt ihr denn Regeln aufgestellt, was erlaubt ist und was nicht?«
Nein, hatten wir nicht.
»Dann hat er auch nicht geschummelt.«
»Aha.«
»Zumindest technisch nicht.«
»Technisch?«
»Da ihr euch nicht auf Spielregeln geeinigt habt, kann er auch keine brechen.«
Das befriedigte mich ganz und gar nicht, doch Oma blieb dabei.
»Warum ist dir das so wichtig?«, fragte sie. »Es ging nur um ein Rätsel, nicht um eine Erbschaft oder den Weltuntergang.«
Das wusste ich nicht. Es fühlte sich einfach nicht richtig an. Sicher, es konnte mir egal sein, wie Olli auf die Lösung gekommen war, aber ...
»Aber er hat so getan, als wäre er selber drauf gekommen!«, warf ich ein.
»Ist er vielleicht auch, oder?«
Das galt es herauszufinden.
Der Tag versprach wieder eine Menge Sonne und noch viel mehr Hitze. Oma achtete darauf, dass ich mich gut mit Sonnencreme einrieb und mir meine Schirmmütze auf den Kopf setzte. Für später, wenn die Sonne knallte.
Gerüstet für einen Tag voller Abenteuer, klingelte ich bei Olli.
»Komme gleich!«, rief er von oben. Seine Mutter ließ mich ein.
Ich wartete.
»Nur noch den Abenteurerrucksack packen!«
Ich setzte mich aufs Sofa. Auf dem Schreibtisch daneben stand der Computer, angeschaltet. Mit einem Ruck zog ich mich an der Sofalehne hoch und trat näher. Googles Schriftzug leuchtete auf dem Bildschirm, und da lachte mich dieser Knopf an, der mir die Browsergeschichte der letzten Tage präsentieren würde. Wenn Olli wirklich Google nach der Lösung meines Rätsels gefragt hatte, würde mir der Computer das jetzt offenbaren.
Meine Hand lag auf der Maus. Ich zögerte.
Langsam bewegte sich der Mauszeiger über den Bildschirm – doch den Knopf drückte ich nicht.
Ich las schließlich auch keine offenen Tagebücher oder spionierte sonst wie.
Und selbst wenn, was würde ich Olli gegenüber denn sagen? Ihn als Schummler anschuldigen?
»Bereit, Wollebach zu retten?«, fragte Olli. Er stand oben an der Treppe, seinen Rucksack in der Hand.
»Bereit, Wollebach zu retten!«, antwortete ich und ab ging es zur Stadtmauer.
»Was ist da drin?«, fragte ich und deutete auf den Rucksack.
»Was ein echter Ritter eben so braucht. Taschenlampe, Schnur, eine Dose Cola, Früchte und Schokolade, Bindfaden, etwas Draht und so weiter.«
»Wozu braucht man denn Draht?«
»Um Zweige zusammenzubinden zum Beispiel.«
»Geht das nicht mit der Schnur?«
»Draht ist fester«, bemerkte Olli bestimmt. »Weißt du noch, als wir damals zum ersten Mal von den Sarazenen gehört haben?«, begann Olli.
»Klar.«
»Dein Opa hat erzählt, dass vor fast fünfzig Jahren jemand die Westerburger erweckt und dann die Königin geheiratet hat, nicht wahr?«
Daran erinnerte ich mich auch.
»Wie alt ist dein Opa?«
Ich blieb stehen und fasste Olli am Arm. »Mensch, du glaubst doch nicht ...? Opa?«
»Warum nicht? Er scheint doch guten Kontakt zu Borkenkinn zu haben, von dem wir immer die Hinweise bekommen.«
»Danach wäre Oma ... ?« Mir stockte der Atem.
»Die Königin. Willst du sie nicht einmal fragen?«
Wie konnte ich nur so blind sein? Natürlich! Wer auch sonst? »Wenn Oma die Königin ist, was bin dann ich?«
»Dein Opa ist König, dein Vater Prinz und du bist demnach der Prinzensohn!«, führte Olli meine Ahnenreihe aus.
Beeindruckend. Als Schuljunge war ich nach Wollebach gekommen, als Prinzensohn verließ ich es wieder.
»Wirst du jetzt deine Großeltern vergiften?«, fragte mich Olli.
Ich schaute ihn erschrocken an. »Warum? Wird das etwa von mir erwartet?«
»Na ja, damit du schneller an die Macht kommst. Das macht man als Thronerbe so!« Er zwinkerte verschmitzt.
Wirklich? »Und meine Eltern?«
Olli sah mich vielsagend an.
»Du bist verrückt! Das kommt nicht in Frage, niemand wird vergiftet!«
Wir sahen Hängeschulter auf dem Marktplatz am Springbrunnen. Neben ihm saß ein Mädchen in kurzem Rock, das ich nicht kannte. Beide unterhielten sich und aßen Eis.
»Die Stefanie, die mag er«, erklärte Olli.
Wir machten einen großen Bogen um beide.
Ein Kiesweg führte an der Stadtmauer entlang. »Wenn die Zeichnung stimmt, die wir
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