Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika
uns an den Ort brächte, wo sich Nicolaus Palander aufhält.«
Mathieu Strux nahm die Art, wie man von seinem Landsmann sprach, nicht übel, das wichtigste war vor Allem, ihn aufzufinden. Jeder hielt sich bereit, der Spur des Hundes zu folgen, sobald dieser seines Weges sicher sei.
Dies dauerte nicht lange, und nach lautem Gebell sprang das Thier mit einem Satz über ein Gebüsch und verschwand im Walde. Die Pferde konnten ihm nicht durch diese undurchdringliche Waldung folgen. Der Oberst Everest und seine Begleiter waren demnach genöthigt, das Gehölz zu umreiten und sich durch das Gebell des Hundes leiten zu lassen. Eine sichere Hoffnung belebte sie jetzt. Es war nicht zu bezweifeln, daß das Thier dem verirrten Gelehrten auf der Spur war, und verlor es diese nicht, so mußte es gerade auf sein Ziel loskommen. Eine Frage nur mußte man stellen: lebte Nicolaus Palander noch oder war er todt?
Es war elf Uhr Morgens. Ungefähr zwanzig Minuten lang ließ sich das Gebell, welches die Suchenden leitete, nicht mehr hören. War es die Entfernung oder war der Hund vom Wege abgekommen? Der Buschmann und Sir John, die voraus ritten, wurden sehr unruhig. Sie wußten nicht, nach welcher Richtung sie ihre Gefährten führen sollten, als das Bellen von Neuem ungefähr eine halbe Meile südwestlich, aber außerhalb des Waldes ertönte. Alsbald spornte man die Pferde nach dieser Seite zu an.
In einigen Sätzen hatte die Truppe eine sehr sumpfige Stelle im Boden erreicht. Man hörte den Hund deutlich, konnte ihn aber nicht sehen. Zwölf bis fünfzehn Fuß hohes Schilf bedeckte das Terrain. Die Reiter mußten absteigen, und nachdem sie ihre Pferde an einen Baum gebunden, glitten sie durch das Schilfrohr, immer dem Gebell des Hundes folgend. Bald hatten sie dies dichte und zum Vorwärtskommen sehr ungeeignete Netzwerk hinter sich. Ein weiter mit Wasser und Wasserpflanzen bedeckter Raum bot sich ihren Blicken dar. An der niedrigsten Stelle des Bodens erstreckt sich ein breiter und eine halbe Meile langer, kleiner See mit bräunlichem Wasser.
Der Hund stand an den schlammigen Ufern des Sees und bellte wüthend.
»Da ist er, da ist er!« rief der Buschmann. In der That, am Ende einer Art Halbinsel, auf einem Baumstamm ungefähr dreihundert Schritt entfernt, saß Nicolaus Palander unbeweglich, einen Bleistift in der Hand, ein Notizbuch auf seinen Knieen, ohne Zweifel im Rechnen vertieft.
Seine Collegen konnten einen Schrei nicht zurückhalten. Der russische Gelehrte wurde höchstens zwanzig Schritte weit von einer Bande Krokodile belauert, die den Kopf aus dem Wasser streckten. Er ahnte nicht einmal ihre Gegenwart, und diese gefräßigen Thiere, die sich langsam näherten, konnten ihn im nächsten Moment herabreißen.
»Eilen wir! sagte der Jäger leise, ich weiß nicht, worauf diese Krokodile warten, um sich auf ihn zu werfen!
– Sie warten vielleicht, bis er einen
haut-goût
bekommen!« konnte sich Sir John nicht enthalten zu antworten, womit er auf die von den Eingeborenen allgemein bemerkte Thatsache anspielte, daß diese Reptilien niemals frisches Fleisch fressen.
Der Buschmann und Sir John empfahlen ihren Begleitern an, sie auf dieser Stelle zu erwarten, und umgingen den See, um die schmale Landzunge zu erreichen; auf welcher sie zu Nicolaus Palander gelangen konnten.
Sie hatten noch nicht zweihundert Schritt gemacht, als die Krokodile, das Wasser verlassend, auf den Boden krochen und gerade auf ihre Beute losgingen. Der Gelehrte sah Nichts; er wandte seine Augen nicht von seinem Notizbuch weg, seine Hand schrieb fortwährend Zahlen.
»Augenmaß, kaltes Blut, oder er ist verloren!« murmelte der Jäger Sir John in’s Ohr.
Beide knieten darauf nieder, legten auf die Reptilien, welche ihm am nächsten gekommen waren, an und gaben Feuer. Ein doppelter Knall ertönte, und zwei der Ungeheuer stürzten rücklings mit zerschmettertem Rückgrat in’s Wasser. Die übrigen verschwanden im Augenblick unter der Oberfläche des Sees. Beim Knallen der Gewehre hob Nicolaus Palander endlich den Kopf, erkannte seine Collegen, lief auf sie zu und schrie, sein Notizbuch schwenkend:
»Ich hab’s gefunden! ich hab’s gefunden!
– Und was haben Sie gefunden, Herr Palander? fragte ihn Sir John.
– Einen Decimalfehler in der hundertdritten Logarithmentabelle von James Wolston!«
In der That hatte der würdige Mann diesen Fehler gefunden! Einen Logarithmenfehler! Er hatte Anspruch auf die vom Verleger James Wolston versprochene
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