Abenteurer meiner Traeume
ihn dann zu mir auf den Sattel. Moccasin macht das nichts. Wolfe reitet seine Pferde so zu, daß sie alles mit sich machen lassen.«
Shannon ließ Cully hinter Whips Pferd hergehen, einem schlanken, muskulösen Braunen, der aussah, als hätte er einen harten Ritt hinter sich.
Genauso wie der Mann.
Als sie schließlich die Hütte erreicht hatten, war Shannon ganz steif vom kalten Wind und den Gefühlen, die hinter ihrer ausdruckslosen Mine wüteten. Sie stieg ab, stolperte und griff hilfesuchend um sich.
Whip packte sie. Obwohl er Handschuhe trug und Shannon dick angezogen war, schien es, als könne er spüren, wie ihre Hitze und Süße bis zu ihm strahlte und ihn in Flammen versetzte. Ihre Wimpern flatterten, dann öffnete sie die Augen, und er sah, daß der Hunger und die Verwirrung darin genauso groß waren wie bei ihm.
Doch in einer Beziehung gab es keine Verwirrung. Shannon gehörte ihm. Whip brauchte sie nur zu nehmen.
Mit einem harten Wort stellte Whip Shannon wieder auf die Beine und trat zurück, während sie gerade die Hände nach ihm ausstreckte.
»Nein«, sagte er kalt. »Faß mich nicht an.«
Verblüfft hielt Shannon mitten in der Bewegung inne, die Hände nach ihm ausgestreckt, die Liebe, die sie für ihn empfand, so klar in ihren Augen, daß Whip es nicht ertragen konnte, sie anzusehen. Und er konnte sich auch nicht zwingen wegzusehen.
»Whip?«
»Ich meine das wirklich so«, sagte er heftig. »Du sollst mich nicht berühren. Ich bin hierhergekommen, um nach Gold zu graben, nicht, um dich noch weiter zu umgarnen. Wenn Reno und ich genug Gold gefunden haben, daß du durch den Winter kommst, bin ich weg. Hast du gehört, Shannon? Ich bin weg! Du kannst mich nicht mit deinem Körper halten. Versuche es nicht einmal.«
Wogen von Schmerz und Demütigung überfluteten Shan-non und ließen ihre Wangen abwechselnd bleich und tiefrot werden.
»Ja«, flüsterte sie mit zitternden Lippen. »Ich habe dich verstanden, Whip. Du brauchst es nicht noch einmal zu sagen. Nie wieder. Ich werde bis zum Tag meines Todes hören, wie du mich zurückgewiesen hast.«
Whip schloß die Augen angesichts der Demütigung, die er in Shannons Blick sah, in ihrer ganzen Körperhaltung. Er hatte sie nicht so verletzen wollen. Er hatte nur gespürt, wie sich der Käfig immer enger um ihn schloß, und hatte wild um sich geschlagen, ohne an die Folgen zu denken.
»Shannon«, flüsterte er voller Qual. »Shannon.«
Keine Antwort.
Whip öffnete die Augen. Er war allein mit dem kalten Wind.
Er sagte sich, daß es besser so war, für Shannon und für ihn. Besser, jetzt Schmerz zu fühlen, als dann ein Leben lang zu bereuen, daß sie die falsche Entscheidung getroffen hatten, weil sein Blut in Wallung war und sie nicht vernünftig genug sein konnte, nein zu sagen.
Es ist besser so.
Es muß besser sein.
Nichts sonst wäre den Schmerz wert, den ich in ihren Augen gesehen habe.
Shannon erwachte bei den ersten ätherischen Klängen der Panflöte. Sie hatte die Melodie noch nie zuvor gehört, aber sie wußte, daß es ein Klagelied war. Kummer schwang in den flüchtigen Mollharmonien und bebenden, jammernden Echos mit, als atme ein Mensch Schmerz ein und Trauer wieder aus.
Die geisterhafte Musik schnürte Shannon die Kehle zusammen und füllte ihre Augen mit Tränen. So fern und verzweifelt wie ein Mondaufgang in der Hölle klagte die Musik um all das Unberührbare, Unaussprechliche und Unwiederbringliche.
»Verdammter Kerl«, flüsterte Shannon in die Dunkelheit.
»Was hast du für ein Recht zu klagen? Du hast schließlich diese Entscheidung getroffen, nicht ich.«
Es gab keine Antwort außer einem tiefempfundenen Schrei des Verlusts und der Verdammnis, der in die Nacht hinausgeweht wurde.
Es dauerte lange, bis Shannon wieder einschlafen konnte, und sie weinte sogar im Schlaf noch weiter.
Als sie das nächste Mal aufwachte, war es immer noch dunkel. Sie hörte nichts als die eigentümliche Stille über dem Land, mit der frisch gefallener Schnee alles einhüllt. Schaudernd ging sie hinüber zu den schlecht schließenden Fensterläden und schaute durch einen Spalt hinaus.
Unter einem klaren Himmel und dem abnehmenden Mond lag die Landschaft in eine weiche, feuchte Schneedecke eingehüllt. Sie war zu dünn, um den nächsten Tag zu überstehen, und erwartete nur ihr unvermeidliches Ende unter der aufsteigenden Hitze der Sonne.
Doch bis dahin würde jeder Zweig, jedes Blatt und alles, was den Schnee berührte, eine deutliche
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