Abenteurer sucht Frau fürs Leben
so weit das Auge reichte. Nur hier und da wurde es von niedrigem Gebüsch unterbrochen. In einiger Entfernung stand eine Baumreihe. Saatkrähen hockten auf den nackten Ästen und unterhielten sich mit lautem Gekrächze von einer Baumkrone zur anderen.
Kyle konnte kaum glauben, dass Ruth Taylor Hamilton hier – am Rande eines kleinen Bauerndorfs in Südengland – aufgewachsen war und hier gelebt hatte.
Unvermittelt erinnerte er sich an das letzte Mal, als er sie gesehen hatte. Sie war in ihren Einsatzwagen gesprungen wie an jedem anderen heißen Morgen in Afrika. Nach einem kurzen Winken zu den einheimischen Kindern war sie in einer roten Staubwolke auf dem Feldweg davongebraust. Ohne ihm Gelegenheit zu geben, auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln.
Sie hatten in einem Krisengebiet gearbeitet, aber niemand hatte voraussehen können, dass ihr Einsatzwagen nur zwei Stunden später auf dem Weg zu einer Dorfklinik auf eine Landmine treffen würde.
Und seit dem Moment war sein Leben von Grund auf verändert. Er erschauerte und schniefte noch einmal, bevor er mit knirschenden Schritten zur Veranda ging.
Das lag nun zehn Jahre zurück und war Welten entfernt von dem Ort, an dem er sich nun befand. Er war gekommen, um einen Job auszuführen. Dazu gehörte es, Ruth zu würdigen, und genau das beabsichtigte er zu tun – nicht mehr und nicht weniger. Ihre Tochter brauchte nie zu erfahren, was an jenem Morgen wirklich passiert war.
Dieser Gedanke veranlasste Kyle, innezuhalten und die Hand von der Klingel wieder zurückziehen. Warum hatte Ruth nie erwähnt, dass Ehemann und Tochter zu Hause in England auf sie warteten? Und wieso hatte auch sonst niemand etwas davon verlauten lassen? Andernfalls hätte er etwas tun können, sobald er nach London zurückgekommen war, zum Beispiel ihnen einen Besuch abstatten. Warum? Um seine eigenen Schuldgefühle zu lindern? Nun, es war noch nicht zu spät. Und er war es Ruth schuldig, sich darum zu kümmern, dass ihre einzige, auf sich selbst gestellte Tochter gut versorgt war. Das war das Mindeste, was er in Gedenken an die Frau tun konnte, der er sein Leben verdankte.
Erneut streckte er eine Hand nach der Messingklingel aus. Doch da brach das Chaos an der Stelle aus, an der das Grauhörnchen im Laub gewühlt hatte. Er drehte sich um und beobachtete, wie ein rotbrauner Setter übermütig immer wieder hoch in die Luft sprang, obwohl sein Zielobjekt längst am Stamm einer Eiche hinaufgehuscht war.
Kyle schmunzelte vor sich hin, ging um das Haus herum und rief dem Tier zu: „Hallo, mein Lieber! Kein Glück gehabt, wie?“
Der Hund erstarrte für maximal zwei Sekunden. Dann stürmte er zu ihm und sprang mit erfreutem Gekläffe an ihm hoch.
Ein scharfer Pfiff ertönte auf der Vorderseite des Hauses. Wie auf Stichwort ließ das Energiebündel von Kyle ab und sauste davon.
Kopfschüttelnd schlug er seinen Mantelkragen hoch und folgte dem Tier mit knirschenden Schritten über den Kiesweg. Vielleicht war die Dame des Hauses ja draußen. Er bog um die Ecke und blieb vor Erstaunen über die Szene abrupt stehen, die sich ihm darbot.
Jenseits der Blumenbeete hüpfte Lili Hamilton von einem Fuß auf den anderen. Dabei hielt sie spielerisch ein Stöckchen hoch in die Luft und wehrte die stürmischen Zuwendungen des Setters ab, der immer wieder hochsprang und den Ast zu schnappen versuchte.
Eine Weile lang schaute Kyle einfach nur belustigt zu. Er lehnte sich an die Mauer und beobachtete, wie Lili den kleinen Stock weit über den Rasen zu den hohen Bäumen warf und sich dann einer offenen Feuerstelle zuwandte.
Sie griff zu einer kleinen Handsäge und durchtrennte mit geübten Bewegungen einen trockenen Ast nach dem anderen. Dann warf sie die kleineren Reste in einen Feuerkorb, sodass die tiefrote Glut darin hell aufleuchtete und Flammen knisternd in die Luft züngelten.
Doch es war nicht das Feuer, das ihn faszinierte, sondern die Person, die es anfachte.
Ihre Bewegungen wirkten graziös und geschmeidig. Im schwindenden Tageslicht erhellte der flackernde Feuerschein ihr Gesicht. Die blonden Korkenzieherlocken waren zu einem losen Pferdeschwanz zusammengebunden und mit einem gestreiften Haarband aus der Stirn gehalten. Die Wangen leuchteten rosig vor Energie und Wärme. Als der Hund mit dem Stöckchen zu ihr zurückkehrte, kraulte sie ihn zur Belohnung und warf den Ast mit offensichtlichem Vergnügen noch einmal in Richtung der Bäume.
In London hatte Lili Hamilton attraktiv und
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