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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Phillips
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errätst nicht, wo ich gerade stehe! Direkt vor dem Schiff!«, antworte ich, nebenbei etwas enttäuscht darüber, dass am anderen Ende der Leitung nicht mein italienischer Freund ist.
    »Dann hast du den Hafen gefunden? Prima! Was ich dir sagen wollte: Tee heute Nachmittag wird bei mir schwierig, ich habe noch so viel zu tun. Was hältst du davon, stattdessen am Abend zum Dinner zu kommen? Meine Eltern sind zu Besuch und kochen ein traditionelles japanisches Essen. Hast du Lust?«
    »Das ist eine tolle Idee! Wenn ich euch wirklich nicht störe?«
    »Überhaupt nicht, ich freue mich, dich zu sehen!« Kimiko gibt mir ihre Adresse durch.
    Einige Stunden später stehe ich bei ihr im Hausflur. Die Gästekoordinatorin des Peaceboats begrüßt mich auf eine für Japaner ganz untypische überschwängliche Art und Weise. Kimiko ist klein und zierlich, trägt modische Kleidung und hat die dunkelbraunen Haare zu einem frechen Bob geschnitten. Hinter ihr im Flur stehen ihre Eltern. Ich strecke ihnen meine Hand entgegen, doch die beiden ignorieren die deutsche Begrüßung und verbeugen sich vor mir, während sie etwas sagen, was ich nicht verstehe.
    »Meine Eltern sprechen leider kein Englisch, aber ich werde einfach alles übersetzen.«
    » Konbanwa! Guten Abend«, begrüße ich die beiden und verbeuge mich unbeholfen. Kimikos Eltern drehen sich um und bedeuten mir, ihnen zu folgen. Mit einem großen Schritt steige ich die Stufe hinauf, die vom Eingangsbereich in den Flur der Wohnung führt, doch Kimiko hält mich fest.
    »Entschuldige, könntest du bitte die Schuhe ausziehen?«, sagt sie freundlich und deutet auf meine Füße.
    »Oh, tut mir leid, das weiß ich eigentlich, ich habe es nur vergessen.« Schnell schlüpfe ich aus meinen Schuhen, stelle sie ordentlich nebeneinander vor der Treppenstufe ab und ziehe die Hausschuhe an, die Kimiko mir hinstellt. Für einen europäischen Fuß sind sie ziemlich klein. Ich drehe mich noch einmal um und sehe, dass Kimiko sich bückt, meine Sneakers umdreht und mit den Schuhspitzen in Richtung Ausgang wieder auf den Boden stellt. Offenbar gelten hier für den Umgang mit Schuhen, den Kutsu , noch strengere Regeln, als ich gedacht habe. Als wir den Wohnraum betreten, sitzen Kimikos Eltern bereits im Schneidersitz vor einem Tisch auf dem Boden, der höchstens vierzig Zentimeter hoch ist. Auf der Tischplatte stehen diverse Schüsselchen mit Reis, Gemüse und Suppe. Daneben liegen Stäbchen, Besteck kann ich keines entdecken. Das kann ja heiter werden!
    Ich setze mich und beobachte, wie meine Gastgeberin geschäftig hinter dem Tresen der offenen Küche herumläuft, während sie ab und zu etwas auf Englisch zu uns herüberruft und das Gesagte im Anschluss für ihre Eltern übersetzt.
    »Du wunderst dich bestimmt über den niedrigen Tisch. Es ist typisch japanisch, auf dem Boden sitzend zu essen.«
    »Ja, das habe ich schon in einem Restaurant in Tokio gesehen. Für eine Europäerin wie mich ist das auf die Dauer ziemlich unbequem.« Ich lache. »Wir sind diese Sitzposition einfach nicht gewohnt.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber ich mag es irgendwie. Ich habe zwar in den USA studiert, zwischendurch ein Jahr in Frankreich verbracht und insofern viel von eurer Kultur mitbekommen, aber zu Hause ziehe ich es vor, die alten Traditionen zu bewahren.« Kimiko werkelt weiter in der Küche, während ich mich in ihrem Appartement umblicke. Für japanische Verhältnisse ist die Wohnung relativ groß, in Tokio wäre sie vermutlich unbezahlbar. Vor einer Wand steht ein Flachbildschirm, auf einem pinkfarbenen Regal liegt eine schicke iPod-Sound-Station, aus der leise japanische Musik ertönt, an den Wänden hängt moderne Kunst, ein schöner Kontrast zu den japanischen Möbeln.
    »Mir gefällt der Mix, er gibt der Wohnung Individualität.«
    »Danke. Mir gefällt es auch.« Kimiko lacht und stellt einen Teller samt einer schwarzen Schale auf den Tisch. »Das hat meine Mutter vorhin zubereitet. Eine Spezialität aus ihrer Heimat«, fügt sie hinzu und zeigt auf die Kombination von Fleischlappen und giftgrünem Gemüse. »Das sind Rinderzungen, Gyutan . Sehr gut, eine echte Delikatesse.«
    Ich glaube, ich habe mich verhört. »Sieht gut aus«, antworte ich höflich, obwohl mir das genaue Gegenteil durch den Kopf geht; dann hake ich noch mal nach. »Rinderzungen? Aber keine echten, oder?«
    »Natürlich. Was denkst du denn?« Ich muss schlucken und werfe einen leicht verängstigten Blick auf den Teller.

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