Aber bitte mit Sake
so zu eigen ist. Dann gleitet ein kleines Lächeln über ihr Gesicht.
»Ja, gerne. Ich mache hier nur noch die Gymnastik fertig, dann ziehe ich mich um.«
»Sehr gut, ich bin wahrscheinlich früher fertig, wir treffen uns um kurz vor sieben draußen vor dem Schiff.« Kyoko nickt, dann eilt sie zurück auf ihren Platz, um bloß nicht die letzten Minuten ihrer Sportstunde zu verpassen. Kopfschüttelnd mache ich mich auf den Weg zurück in meine Kabine. Gaki schläft immer noch tief und fest, nur ein großer Zeh schaut am Fußende des Bettes hervor. Leise, um sie nicht zu wecken, dusche ich, ziehe mich um und schlüpfe wenig später aus der Kabinentür hinaus auf den Gang. Auf dem dunkelblauen Läufer, der jedes Geräusch verschluckt, hört man meine Schritte kaum. Hier und da klappt eine der Kabinentüren auf oder zu, während ich mich auf Deck 5 begebe, um von dort aus das Schiff zu verlassen. Einer der Stewards am Ausgang lehnt an einem jener Metalldetektoren, die man von den Sicherheitskontrollen des Flughafens kennt. In Betrieb ist er nicht, daher frage ich den Mann, wofür man das Gerät auf dem Peaceboat braucht.
»Es ist verboten, Alkohol mit an Bord zu bringen. Hat Ihnen das denn niemand gesagt?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein. Zumindest kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht habe ich es auch verdrängt.« Ich lache, aber mein Gegenüber scheint das überhaupt nicht lustig zu finden.
»Na gut, dann sage ich es Ihnen jetzt. Es ist verboten, Alkohol mit in die Kabinen zu nehmen. Wir gehen davon aus, dass sich alle Passagiere freiwillig daran halten, und setzen das Gerät erst einmal nicht ein. Wenn wir aber jemanden dabei erwischen, dass er Alkohol an Bord schmuggelt, dann werden alle Passagiere kontrolliert. Alles klar?«
»Alles klar!« Ich nicke und verlasse das Schiff über die Rampe, die den Unterschied zwischen dem Anleger und Deck 5 überbrückt, und pralle unvermittelt gegen einen Japaner in meinem Alter, der ein Rollköfferchen hinter sich herzieht. Er sieht gut aus. Unverhohlen starre ich ihn auf typisch deutsche Art an, was er bemerkt und seinen Gang beschleunigt. Es scheint ihm nicht zu gefallen, so begutachtet zu werden. Aber da muss er jetzt durch. Immerhin ist er nach zwei Wochen auf See der erste wirklich attraktive Mann, der mir begegnet. Er ist groß für einen Japaner, sein Oberkörper wirkt durchtrainiert, sein Gesicht hat feine, fast europäische Züge. Hinter ihm stolpert eine sechsköpfige Mannschaft heran, die offenbar zu ihm gehört. Zumindest tragen sie die gleichen bedruckten T-Shirts, nur in anderen Farben, und auch die Rollkoffer sind identisch. Ob es sich wohl um neue Gastredner handelt? Als sie im Schiffsbauch verschwunden sind, entdecke ich Henry, der mir, wie immer barfuss und im Hawaiihemd, bereits ungeduldig zuwinkt.
»Guten Morgen! Du bist ja so früh!«
»Du doch auch!« Ich lache, muss einfach immer lachen, wenn ich in sein Monchichi-Gesicht sehe, kann einfach nicht anders.
»Ich war schon eine halbe Stunde spazieren und habe den Sonnenaufgang genossen. Ich vermisse Tahiti einfach, wenn ich nicht hier bin, und bin immer froh zurückzukommen! Auch wenn es mich natürlich traurig macht, das Schiff zu verlassen. Glaub mir, die Sachen zu packen, hat mir gestern keine große Freude bereitet, vor allem, wenn man bedenkt, was für tolle Reiseziele ihr noch anlauft! Peru! Panama! Jamaika! Kuba! Ein Glück sehen wir uns noch mal wieder, ich komme nämlich nach Kuba geflogen, um mit Euch zusammen Fidel Castro zu erleben.«
»Na wenigstens das! Auch wenn ich es schöner fände, wenn du an Bord bleiben würdest, das kannst du mir glauben! Mit wem breche ich denn jetzt die Regeln?« Gemeinsam spazieren wir ein wenig am Hafen entlang.
»Ja, da musst du dir wohl jemand anderen suchen, aber ich bin sicher, du wirst schon jemanden finden! Wollen wir langsam zur Fähre, die uns nach Moorea bringt?«
»Von mir aus gerne, aber wir müssen noch auf Kyoko warten.«
»Kyoko? Wieso denn Kyoko?« Henrys Gesicht verfinstert sich. Oje! Daran, dass die beiden sich nicht leiden können, hatte ich heute Morgen im Halbschlaf überhaupt nicht gedacht. Henry sieht nicht so aus, als ob er große Lust hat, sich den ganzen Tag über zusammenzureißen und den Gentleman zu spielen. Und Kyoko legt einfach extrem viel Wert auf gutes Benehmen. Wobei gutes Benehmen in dem Fall eindeutig bedeutet, sich an die japanischen Regeln und Gepflogenheiten zu halten. Bei mir ist sie Gott sei Dank nachsichtiger.
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