Aber bitte mit Sake
lacht. »Du weißt doch, hier wird alles über die Lautsprecher verkündet.«
Mein Blick gleitet am weißen Schiffsbauch hinab Richtung Wasser. Gegenüber ankert eine Luxusyacht. An Deck stemmen zwei durchtrainierte Männer zu lauter Technomusik Gewichte.
Ich verabschiede mich von Riku und drehe noch eine Runde durch das Schiff, voller Ungeduld und Vorfreude auf Tahiti, und bin erleichtert, als wenig später die Durchsage erklingt, dass wir nun das Schiff verlassen können. Obwohl ich mich beeile, sind die Japaner schneller. Der Treppenaufgang, der hinunter zu Deck fünf führt, von wo aus man ins Freie gelangt, ist schon völlig verstopft von aufgeregten Menschen. Im Gegensatz zu mir scheinen sie es aber gar nicht eilig zu haben, sondern schieben sich gemächlich gen Ausgang. Auf die Idee, zu drängeln, kommt hier keiner, zumindest keiner außer mir, und ich ernte dafür natürlich umgehend und völlig zu Recht ein paar missbilligende Blicke. Endlich erreiche die Gangway, an der ein Stewart mit aller Seelenruhe meine identity card durch sein Lesegerät zieht. Wenig später bin ich draußen und kann nicht anders: Ich hüpfe den Pier entlang Richtung Stadt. Tahiti! Das ist Hula-Dance, Vanille, Papaya, frischer Thunfisch und vor allem eins – nicht japanisch! Langsam geht die Sonne unter, rot hängt sie über dem Ozean, und wenn sie verschwunden ist, wartet auf mich eine sternenklare Sommernacht, in die ich eintauchen werde, den japanischen Winter weit hinter mir lassend!
Unweit des Anlegers entdecke ich einen Marktplatz, auf dem sich Einheimische zwischen den Buden tummeln. Eine halbe Stunde lang streife ich unentschlossen zwischen den Ständen umher, kann mich nicht entscheiden, was ich essen soll, aber nach zweiwöchiger Reisdiät muss ich auf überhaupt nichts verzichten. Ich gönne mir nach einer riesigen Portion Thunfisch mit Kokosmilch auch noch einen Crêpe mit Banane und Schokosauce. Wer zwei Wochen auf jegliche geschmacksintensiven Lebensmittel verzichtet hat, der wird wissen, was ich meine, wenn ich sage, ich erlebe, während ich hier in Französisch-Polynesien vor mich hinkaue, eine wahre Geschmacksexplosion.
Von Weitem sehe ich Henry, dessen blaues Hawaiihemd in der Nacht leuchtet. Wie immer barfuss, schiebt er sich durch die Menschen, unter denen sich inzwischen auch ein Großteil meiner japanischen Mitreisenden befindet. Mit gemächlichem Schritt kommt er auf mich zu. Auf einmal bin ich traurig, dass mein einziger echter Verbündeter das Schiff morgen verlässt, aber er selbst ist sicher froh, wieder zu Hause zu sein. Auch wenn ich gerade ein bisschen Freundschaft mit Riku schließe, Henry, den Freigeist, kann er so schnell nicht ersetzen. Dennoch brauche ich dringend einen neuen partner in crime . Zumindest ab morgen; heute Abend habe ich schließlich noch Henry, der mir anbietet, mich durch Papeete zu führen. Gemeinsam laufen wir nebeneinander durch die fast leeren Straßen, ab und zu fährt ein Jeep vorbei, die einzelnen Passanten, die uns begegnen, grüßen Henry ohne Ausnahme. Er scheint nicht nur auf unserem Schiff, sondern auch in Tahiti bekannt zu sein, wie ein Popstar. Dabei pflanzt er nur Vanille auf einer Plantage an. Barfuss.
»Wieso kennen die dich denn alle?«, frage ich interessiert.
»Weißt du, ich setze mich gemeinsam mit dem Netzwerk der nichtstaatlichen Organisation »Hiti Tao«, was so viel heißt wie »die Zeit ist gekommen«, gegen Atomtests ein. Ich bin einer der Hauptorganisatoren des Widerstands. Tahiti gehört nämlich immer noch zu Französisch-Polynesien. Und Jacques Chirac kam ja 1995 auf die glorreiche Idee, auf Mururoa, direkt vor unserer Nase, Atomtests durchzuführen. Für meinen Einsatz bekomme ich die Anerkennung der Tahitianer, das ist ein sehr gutes Gefühl. Niemand von uns möchte länger am Gängelband der Franzosen geführt werden. Fremdbestimmung ist für mich der Horror!«
»Na, dann warst du ja bei den Japanern genau richtig aufgehoben«, sage ich ironisch. »Wo dort doch Selbstbestimmung so hoch im Kurs steht.« Henry grinst. »Ob du es glaubst oder nicht, gerade weil mir ihre Art so fremd ist, kann ich viel von ihnen lernen. Ich bin jetzt schon so oft mit dem Peaceboat gefahren. Und obwohl es natürlich Dinge gibt, die ich nie verstehen werde oder die mir persönlich nicht entsprechen, empfinde ich es jedes Mal wieder als unglaublich bereichernd. Auch wenn mir die Japaner mit ihrer Art oft gehörig auf die Nerven gehen! Aber eine Reise auf diesem
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