Aber bitte mit Sake
Ich stecke sie mir vorsichtig ins Haar. Aber Henry zieht sie wieder hervor.
»Halt! Bist du sicher, dass es die richtige Seite ist?«
»Weshalb?«
»Na, weil es auf Tahiti eine Bedeutung hat, hinter welchem Ohr man die Blüte trägt!«
»Und welche?«
»Vergebene Frauen tragen sie hinter dem linken, unvergebene hinter dem rechten. Wo muss sie hin?« Unschlüssig schaue ich einen Moment auf die rote Blume in meinen Händen. Ich denke an Raffaele. Woher weiß ich, ob unsere Auszeit Regenerationsphase oder doch nur ein Ende auf Raten ist? Blumenstatus: It’s complicated. Henry schaut mich erwartungsvoll an. Ich gebe mir einen Ruck, dann lege ich die Blüte vorsichtig neben mir auf dem Pfosten eines Gartenzaunes ab.
»Weißt du«, sage ich zu meinem Begleiter und versuche betont fröhlich zu sein, »ich verliere die Blüte sowieso gleich, spätestens wenn ich ins Wasser gehe!« Mittlerweile haben Kyoko und Gaki uns eingeholt. Die beiden wirken bereits etwas geschafft. Wagen es als waschechte Japaner aber nicht, sich zu beschweren.
»Das ist ja eine schöne Strecke zum Spazierengehen«, sagt Kyoko und muss in diesem Moment ein Stück an mich heranrücken, als der einzige Omnibus der Insel gefährlich dicht an uns vorbeifährt.
»Hätten wir nicht den Bus nehmen können?«, frage ich Henry, aber der winkt ab.
»Hier gibt es keinen Fahrplan. Er kommt, wann er kommt, und hält, wo er benötigt wird.« Wie in Rom , denke ich. Henry zeigt auf den Eingang eines luxuriösen Hotelresorts. »Wir müssen nur noch das Grundstück hier überqueren, dahinter ist der öffentliche Strand.« Dann nickt er einem Gärtner zu, der in Sichtweite die Pflanzen bewässert, während wir an gepflegten Grünflächen vorbeilaufen. Ein paar Schritte später stehe ich am Strand. Einem Strand, wie man ihn sich in seinen kühnsten Träumen vorstellt. Der Sand ist weiß, das Meer türkis, und man kann überall, egal wo man steht, bis auf den Grund sehen. Gemeinsam lassen wir uns unter einer Palme nieder, breiten Handtücher aus, dann kann ich es nicht mehr abwarten, reiße mir das T-Shirt über den Kopf und springe, nur im Bikini, ins Wasser. Henry folgt mir, das Hawaiihemd achtlos auf den Boden werfend. Gemeinsam schwimmen wir ein paar Meter, bis er unter Wasser zwei kleine Felsblöcke entdeckt, auf die wir uns stellen. Dann drehen wir uns um, und ich winke Kyoko und Gaki aufmunternd zu, die noch zögerlich am Ufer stehen. Langsam tasten sie sich vor und strecken einen Zeh ins Wasser, dann waten sie bis zu den Knien hinein. In voller Montur.
»Wollen die etwa mit Kleidung ins Wasser?« Ich falle fast von meinem Felsen. Henry, der gerade mit dem Rücken zum Strand steht und Richtung Horizont schaut, dreht sich ruckartig um. Dann fängt er an zu lachen.
»Tatsächlich! Die beiden gehen wirklich voll bekleidet ins Wasser!«, rufe ich. Henry beginnt neben mir zu lachen und lacht und lacht. Die leichte Brise trägt sein dröhnendes Gelächter hinüber zum Strand zu den beiden Japanerinnen, die sich erschrocken ansehen und dann, statt ins Wasser zu kommen, den Rückzug antreten. Gut, dass der Tahitianer das Peaceboat verlässt. Ich bin sicher, dass Kyoko, die inzwischen beschämt unter der Palme sitzt und sich wie eine Schildkröte ins Innere ihrer Textilmontur zurückgezogen hat, nie wieder mit ihm reden wird.
Lost in Translation, oder: Warum die Japaner so heiß auf weiße Haut sind
Eine Kolumne von Dana Phillips
Liebe Komplizinnen! Schönheit hat in Japan eine lange Tradition – eine helle, makellose Haut ohne Fältchen gilt als das Ideal der Japanerinnen. Bereits im 8. Jahrhundert benutzten die japanischen Frauen Puder aus Mineralien oder aus Reis, Hirse und Gerste. Auch ein knappes Jahrhundert später verbrachten die japanische Edelfrauen die meiste Zeit in ihren Palästen, fernab vom Sonnenlicht. Dadurch war ihre Haut viel weißer, als die des gemeinen Volkes. Weiße Haut stand für Reichtum und galt als Zeichen des Adels. Der Wunsch nach Porzellanhaut ist den Japanern bis heute geblieben – abgesehen von einer kurzen Phase in den Sechzigern, als unter westlichem Einfluss Sonnenbräune als schick galt, und den Neunzigern, in denen ein paar Shibuya-Mädchen sich vom Schönheitsideal ihrer Eltern abzuheben versuchten.
Der westliche Wunsch, sich möglichst häufig am Strand die Karibiksonne auf die goldbraune Pelle scheinen zu lassen, ist dem Japaner also eher suspekt. Bi-Haku , »schön und weiß« lautet das Motto im Land der
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