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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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schmächtige, wunderliche kleine Doktor aus dem Zimmer. Seine Schritte verloren sich in dem dicken Teppich. Bald darauf hörten wir eine von Bachs Präludien, weit fort, vom anderen Ende der geräumigen Wohnung. Einer nach dem anderen verstummte. Eine schläfrige Stimmung kam über uns. Hier und dort wurde eine Zigarette angezündet, geraucht und im Aschenbecher ausgedrückt. Hin und wieder klirrte leise der Fuß eines Glases, das auf den Tisch zurückgestellt wurde…
    Es war vier Uhr morgens, als wir endlich aufbrachen.
    Im Auto küßte mich Roar – auf den Mund, die Wangen, die Augen – , und als ich daheim und im Bett war, fühlte ich – ja, ich fühlte genau dasselbe, das wohl jedes junge Mädchen der Welt fühlt, das zum erstenmal geküßt worden ist. Jedenfalls war ich erfüllt von der festen Überzeugung, daß ich in Roar Steen verliebt sei.

Endlich wieder Arbeit
     
     
    Nachdem die Geschichte mit Ellinor Berger aus der Welt geschafft war, entstand zwischen Tante Agnete und mir ein richtig harmonisches Verhältnis. Ich hatte mir angewöhnt, sie wegen allem und jedem um Rat und Hilfe zu bitten, und das hatte sie gern.
    „Tante, was soll ich zur Party bei Rawens anziehen? – Tante Agnete, meinst du, es schadet den Haaren, wenn man sie oft wäscht? – Tante, ich möchte mir Schuhe kaufen. Bist du so lieb und kommst mit?“ Die Probleme waren nicht von welthistorischer Bedeutung, doch sie gaben der Tante die Vorstellung, gebraucht zu werden.
    Dann fing sie an, mich mit Geschenken zu überschütten. Nun ja, das geschah nicht nur aus Güte, das wußte ich wohl. Sie hatte eben nie eine Tochter gehabt, auf die sie stolz sein konnte, und sie wollte stolz auf mich sein. Sie wollte Staat mit mir machen, deshalb wurde ich so reichlich ausgesteuert. Ich bekam eine Pelzstola und einen hübschen Halsschmuck. Ich bekam Kleider und Hüte, und wenn jemand aus der Familie etwas Vorteilhaftes über mich sagte, strahlte die Tante. Wenn ich mich für solche Geschenke bedankte, pflegte sie immer – ein wenig abweisend – zu sagen: „Meine Nichte soll ordentlich aussehen.“
    Nein, gegen mein Aussehen war gewiß nicht das geringste einzuwenden.
    Roar machte Besuch. Der Tante gefiel er. Er behandelte sie mit der Art von Ehrerbietung, wie sie sie schätzte. Ab und zu warf sie mir einen vielsagenden Seitenblick zu, lächelnd und verständnisvoll gleichzeitig. Aha! Ich verstand ihn: Sie ahnte eine Verlobung am Horizont, ihr Ehestifterin-Instinkt war zur hellen Flamme entfacht. Roar war wohlhabend und aus guter Familie, also wurde er von ihr anerkannt. Außerdem sah er in der Uniform so gut aus.
    Er wurde zur Donnerstags-Gesellschaft eingeladen und glitt leicht und selbstverständlich in diesen Kreis. Offensichtlich fühlte er sich wohl darin, und ich will nicht leugnen, daß es mir ebenso ging. Ich hatte mich völlig akklimatisiert, duzte mich mit allen Familienmitgliedern – mit einem gewissen Widerstreben allerdings auch mit Christopher – und machte keine Schnitzer mehr im „höheren Gesellschaftsleben“. Mit einundzwanzig Jahren ist man sehr elastisch.
    Man kann nicht behaupten, daß ich allzuviel tat für mein Monatsgehalt. Ich pflegte Nipp, las vor, wischte dann und wann ein wenig Staub und goß Tee oder Wein ein. Die Tante sagte niemals etwas darüber, daß ich zuviel ausginge. Hörte sie von den anderen, daß ich ihnen gefiel, war alles in bester Ordnung. Trotzdem ging ich bei ihr ständig wie auf Eiern. So plötzlich wie Schauer im April konnte die schlechte Laune über sie kommen. Dann schalt sie mit den Hausmädchen und beklagte sich über den Chauffeur, und wenn ich dann nicht mithielt, war ich aufsässig und undankbar, hartherzig und verständnislos.
    Vera Bogard fragte mich manchmal, wie ich zurechtkäme. Ich zuckte die Schultern, denn im Grunde kam ich mit der Tante, wenn sie so unleidlich war, keineswegs zurecht, sondern ich schwieg einfach still und ließ sie schelten.
    „Ich will dir einen guten Rat geben“, sagte Vera, „wenn Frau Garde böse ist, darfst du ihr nicht recht geben, denn dann weiß sie ja nichts weiter zu sagen. Du darfst auch nicht schweigen, sonst glaubt sie, du hörtest ihr nicht zu. Aber widersprechen darfst du erst recht nicht, denn dann bist du aufsässig. Wenn du dir diese drei Dinge merkst, ist sie sehr umgänglich.“
    Ich lachte über Veras Ratschläge, aber leider hatte sie vollkommen recht.
     
    *
     
    Die Monate vergingen, und Weihnachten stand vor der Tür. Von

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