Aber dann kam der Sommer
daß Christopher mit ph ihn zu seinem Opfer gewählt hatte.
„Störe ich in einer interessanten Unterhaltung?“ fragte ich mit Engelslächeln, während ich neben Ditlef auf das Sofa sank.
„Aber nein, du störst uns keineswegs! Wir sprechen gerade von den riesigen Fortschritten der ärztlichen Kunst in den letzten Dezennien.“
Es hätte weit unter der Würde eines „Ph“ gelegen, von „Jahrzehnten“ zu sprechen, wenn es um „Dezennien“ ging.
„Hat dich dein Blinddarm dazu veranlaßt, über die ärztliche Kunst zu philosophieren?“ fragte ich. „Ph“ hatte sich nämlich kürzlich von diesem überflüssigen Anhängsel getrennt.
„Ja, unter anderem! Es ist doch erstaunlich, daß man heute eine akute Appendicitis mit lokaler Betäubung operieren kann.“
Lob und Preis dir, liebe Nora, die du deinen Mediziner seit drei Jahren liebst! dachte ich. Ihr und ihm hatte ich zu verdanken, daß ich nun Christophers Tiefsinnigkeiten folgen konnte.
„Ja, die Spinalanästheie ist wirklich großartig“, stimmte ich zu.
Ph blickte mich über die Brillengläser hinweg an. Sieh einer an! Das Hühnergehirn verstand etwas von medizinischen Ausdrücken!
„Ja“, meinte Ditlefmann, „es ist wohl keine andere Wissenschaft mit solchen Sturmschritten vorwärtsgegangen wie die Medizin. Es ist ja auch keine andere Kunst für die Menschheit von solcher Bedeutung.“
„Doch“, sagte ich, „die Kochkunst!“
Ph lächelte nachsichtig. „Nun ja, jeder hält seine eigenen Interessen für die wichtigsten.“
„Ich meine“, erwiderte ich, „deine Logik sollte dir doch eigentlich sagen, daß ich recht habe: Die Kochkunst baut den Körper auf, die ärztliche Kunst repariert nur die Fehler.“
Der Herrgott möge mir verzeihen, daß ich die Quelle, aus der diese Worte stammten, nicht preisgab. Es war nämlich Vatis Lieblingszitat. Christopher glaubt heute noch, daß der Satz meine eigene Erfindung sei.
Er sah mich seitdem mit neuen, sichtlich achtungsvolleren Augen an.
Dank sei dir, lieber Vater!
*
Vierzehn Tage mußte Marie im Krankenhaus liegen und ebenso lange hinterher zur Erholung nach Hause fahren. Und in der ganzen Zeit besorgte ich das Kochen. Zuletzt allerdings fand ich in Margit eine eifrige Helferin. Sie hatte sich manches von meinen Künsten abgeguckt.
Als am ersten Freitag die Rechnungen kamen, rief die Tante mich zu sich. „Unni, was bedeutet das? Hast du die Rechnungen nicht für die ganze Woche bekommen?“
„Doch, Tante Agnete! Hier siehst du es ja: Die erste ist für den Sonntagsbraten und die letzte für das Hackfleisch am Samstag.“
„Hm – merkwürdig!“ murmelte die Tante und griff nach den Rechnungen vom Bäcker und vom Lebensmittelhändler. „Kannst du mir das vielleicht mal erklären“, begann die Tante und musterte mich durch ihre Lorgnette. Ich fing an zu zittern. Hatte ich etwas falsch gemacht? „Kannst du mir erklären, wie es kommt, daß Marie doppelt soviel Geld für die Haushaltsführung braucht wie du?“
Ich atmete erleichtert auf. „Nun ja, vielleicht macht Marie feineres Essen als ich.“
„Unsinn! Du hast selbst gehört, wie Ditlef und Antoinette am Donnerstag gesagt haben, das Essen sei ungewöhnlich gut. Und ich fühle mich zur Zeit viel wohler und vermisse nichts. Also – woher kommt das?“
Ich setzte mich. „Ich brauche ein bißchen Zeit, um das zu erklären, Tante Agnete. Wenn du mir so lange zuhören willst, will ich dir gern sagen, woran es liegt.“
„Ja, es würde mich interessieren.“
„Ja, weißt du, Tante Agnete, es liegt nicht etwa daran, daß ich besonders geschickt im Kochen wäre. Aber bei uns zu Hause haben wir von jeher den Groschen umdrehen müssen; dabei lernt man manchen kleinen Kniff. Und dann habe ich ja, wie du weißt, einen Vater, der Ernährungswissenschaft studiert hat, wenn auch nur als Hobby. Daher weiß ich, daß der Körper Nahrung mit genügend Kalorien und den verschiedenen Vitaminen braucht. Nun kommt es nur noch darauf an, herauszufinden, welche Vitamine in welchen Nahrungsmitteln enthalten sind. Deshalb hast du zum Beispiel geröstetes Graubrot anstelle von frischem Weißbrot bekommen…“
„Ich habe mit Doktor Bogard darüber gesprochen. Er sagte, das sei ausgezeichnet für meine Verdauung.“
„Ja, und es ist viel billiger als Brötchen. Im ganzen Hause gibt es nur noch Graubrot, und in der Küche wagen sie nicht zu mucksen. Da ich Tee und Kaffee genau nach Maß zubereite, verbrauche ich nur halb soviel.
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