Aber dann kam der Sommer
irgendwelchen Vorbereitungen merkten wir kaum etwas. Nur in der Küche schien viel Betrieb zu herrschen, jedenfalls nach den Ergebnissen zu urteilen.
Am Weihnachtsabend nahmen wir zu Hause einen kleinen Imbiß und fuhren dann zu Lindengs, wo die ganze Familie versammelt war. Ich hatte mich aufgerafft und für jeden eine kleine Handarbeit gemacht. Ich selber wurde mit einer Unzahl von Handschuhen und Strümpfen bedacht. Von der Tante bekam ich eine Abendtasche, in der fünfzig Kronen steckten. – Wie lieb sie doch sein konnte!
Nach Weihnachten blühten die Geselligkeiten in einem Maße auf wie nie zuvor. Wir wurden rundum bei allen Familien eingeladen und aßen und tranken mehr, als uns gut war. Die ersten zwei-, dreimal machte es Spaß, dann kam eine Zeit, in der man es hauptsächlich anstrengend fand, und zum Schluß konnte ich mich im Abendkleid nicht mehr sehen. Ich war müde und überdrüssig und wünschte mir nichts anderes als eine radikale Veränderung.
Und sie kam.
Margit war aufgeregt und in Eile, als sie mir eines Morgens den Kaffee brachte. „Marie ist krank geworden“, berichtete sie. „Wir haben nach dem Arzt gerufen. Es geht ihr sehr schlecht.“
Ach, du meine Güte, wie sollte das jetzt gehen? Die Köchin krank! Na, das konnte ja heiter werden!
Plötzlich kam etwas von meiner alten Energie zurück. Mit einem Satz war ich aus dem Bett, zog mich an und lief in die Küche hinunter. Marie wurde gerade in einem Auto fortgebracht – akute Blinddarmentzündung, sagte der Doktor. Louise und Margit standen da und sahen ziemlich hilflos aus.
„Du mußt es der gnädigen Frau sagen, Louise“, sagte Margit.
„Die gnädige Frau hat noch nicht geläutet“, murmelte Louise mit ratloser Miene.
„Nun hört mal zu“, sagte ich, „das ist doch kein Unglück – außer für die arme Marie natürlich. Das bißchen Kochen, das in diesem Hause nötig ist, kann doch jeder Mensch schaffen!“
Louise maß mich mit kühlem Blick. „Wir haben hier jeder unsere bestimmte Arbeit, gnädiges Fräulein. Außerdem sind weder Margit noch ich gelernte Köchinnen.“
„Aber ich!“ rief ich und war mit einem Male so froh. Und als Tante Agnete klingelte, griff ich nach dem Tablett und ging hinauf.
Maries Krankheit war zweifellos nur in Szene gesetzt worden, um die Tante zu ärgern – jedenfalls mußte man diesen Eindruck bekommen bei Tante Agnetes empörter Reaktion. Es kostete meine ganze Diplomatie, daß ich ihre Zustimmung bekam, das Kochen zu übernehmen, während Marie im Krankenhaus lag.
„Laß es mich doch wenigstens versuchen, Tante Agnete“, bat ich. „Denk mal, wie angenehm es für dich ist, keine Fremde ins Haus nehmen zu müssen. Man weiß doch nie, wen man bekommt.“
Dieses Argument half, und ich zog mit Siegermiene in die Küche.
Louise war grenzenlos mißtrauisch, als ich sie bat, mir zu erklären, wie es bisher mit dem Einkauf gehandhabt worden war.
Also, Marie pflegte zu bestimmen, was auf den Tisch kam, die gnädige Frau hätte nur die Tage festgesetzt, an denen es Fisch oder Fleisch geben sollte, sonst mische sie sich nicht in die Aufstellung des Menüs, ausgenommen an den Donnerstagen. Der Einkauf geschah per Telefon, und jeden Freitag wurde die Rechnung geschickt. Die Liste der verschiedenen Geschäfte hing neben dem Telefon in der Anrichte.
Heute war Samstag, also Fischtag. Ich ließ Telefon heute Telefon sein und ging persönlich in die Stadt. Auf dem Markt fand ich das, was ich haben wollte – wunderbar frische, kleine Schollen.
Während Margit große Augen machte, reinigte ich die Schollen, entgrätete sie, panierte die Filetstücke mit Ei und geriebener Semmel, rollte sie zusammen und ließ sie in heißem Fett garbacken. Endlich einmal etwas anderes als Maries gekochten Dorsch oder gebratene Rotbarschfilets! Anstelle des weichgekochten Blumenkohls, den sie dazu servierte, machte ich eine Schale voll Chicoreesalat, mit Tomaten und hartgekochten Eiern garniert. Zum Nachtisch gab es Pampelmusen mit kleingeschnittenen Äpfeln und Weintrauben gefüllt und mit Honig gesüßt.
Louises Mißtrauen stieg noch um einige Grade, Margit dagegen verfolgte alles, was ich tat, mit brennendem Interesse.
„Oh, heute gibt es ja A-, B-, C- und D-Vitamine auf einmal“, meinte sie lachend und zeigte alle ihre kräftigen weißen Zähne.
„Verstehen Sie etwas von Vitaminen, Margit?“ fragte ich.
„O ja, ich hab’ oft versucht, Marie klarzumachen, daß sie die Vitamine zerstört. Aber die
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