Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Badeanzug besorgen sollte? Praktischer wäre das, keine Frage. Andererseits: Wozu dieser Aufwand für eine Rutschpartie, die bestenfalls 30 Sekunden dauern würde?
Also verwarf sie diesen Gedanken wieder, entschied sich für ein gemütliches Frühstück auf ihrem Balkon und fuhr anschließend zum Verlag, wo sie Charlotte abholte.
»Bist du bereit für eine Runde Heide-Tourismus?«, fragte die Praktikantin zur Begrüßung und ließ sich neben Kati auf den Beifahrersitz fallen.
»Ich denke, wir verbringen den ganzen Tag im Hallenbad?«
»Keine Sorge, der Wettkampf dauert nur ein paar Stunden. Danach haben wir noch genug Zeit für ein bisschen Sightseeing.«
»Hat Lüneburg denn tatsächlich so viel zu bieten?«
»Und ob – wir fahren immerhin in eine mehr als tausend Jahre alte Hansestadt!«, ereiferte sich Charlotte. »Dich erwartet ein historisches Hafenviertel, ein Kran mit Kupferdach und jede Menge Backsteingotik – einfach unerreicht, wenn du mich fragst. Wobei es natürlich auch noch andere Highlights bei uns in der Gegend gibt …«
»Doch nicht etwa der Hundertwasserbahnhof in Uelzen …?«
»Ach, du kennst ihn?«
»Ich dachte, wer den nicht kennt, hat die Heide verpennt.«
»Das gilt für Lüneburg aber fast noch mehr.«
»Tatsächlich? Dann muss dein Studentenleben dort ja sehr umtriebig gewesen sein.«
»Es war auf jeden Fall partylastig und im Vergleich zu heute unsagbar sorglos.«
»Weil du da noch nicht geahnt hast, wie schwer es wird, einen Job zu finden?«
»Ich hab meinen Abschluss in Kulturwissenschaften gemacht und wusste immer, dass der Arbeitsmarkt damit nicht gerade auf mich wartet«, sagte Charlotte. »Aber ich habe definitiv unterschätzt, wie bescheuert es sich anfühlt, so in der Schwebe zu hängen.«
»Was ist denn aus deinen Bewerbungen geworden?«
»Nicht viel. Denn ehrlich gesagt will ich im Moment auch nicht von hier weg.«
»Und warum nicht?«
»Mein Freund macht seinen MBA in England und kommt erst in ein paar Monaten wieder zurück. Ich werde abwarten, wohin es ihn verschlägt, und suche mir dann einen Job in seiner Nähe.«
»Wow.« Kati warf ihr einen Seitenblick zu. »Das scheint ja was richtig Festes zu sein. Wie lange seid ihr schon zusammen?«
»Zwölf Jahre.«
»Du liebe Güte! Meine längste Beziehung hat gerade mal fünf Jahre gehalten.«
»Und warum ging sie auseinander?«
»Wir waren Kollegen, und er ist mit unserer Chefin ins Bett gestiegen – tja, das war’s dann.«
»Ist diese Geschichte etwa der Grund, warum du so dringend eine Luftveränderung brauchtest?«, wollte Charlotte wissen.
»Kann man so sagen.«
»Und? Bist du schon drüber hinweg?«
»Mal mehr, mal weniger. Eigentlich verbringe ich noch immer viel zu viel Zeit damit, der Vergangenheit nachzutrauern. Vor allem, wenn ich sonst nichts zu tun habe.«
»Dann ist es doch ganz gut, dass du an diesem Wochenende Dienst schieben musst«, fand Charlotte. »Da kommst du wenigstens nicht auf trübe Gedanken.«
Der mächtige Turm der St.-Johannis-Kirche ragte über der Stadt auf, als sie in Lüneburg ankamen. Nach kurzer Suche fanden sie einen Parkplatz in der Nähe des Schwimmbades, zeigten ihre Presseausweise an der Kasse vor und eilten dann weiter zu den Umkleidekabinen, wo sie schnell in ihre Badesachen schlüpften. Anschließend schleppten sie die Kameraausrüstung zu den Liegen am Pool. Dort gesellte sich der Bademeister zu ihnen – ein kaugummikauender Mann Ende vierzig, der tief gebräunt war und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Werner is watching you« trug.
»Hey«, sagte er und deutete auf die Fototaschen. »Ihr zwei müsst die Mädels von der Grümmsteiner Zeitung sein.«
»Und du musst Werner sein«, stellte Charlotte das Offensichtliche fest.
Er kreuzte die Arme vor der Brust. »Wer von euch Hübschen rutscht denn mit?«
»Ich«, sagte Kati.
»Ach je.«
»Was soll das denn heißen?«
»Sorry, ich will dir nicht zu nahe treten, aber … Was bringste noch gleich auf die Waage …?«
»Fünfundfünfzig Kilo etwa.«
»Bei einer Körpergröße von …?«
Kati straffte ihre Schultern und stellte sich aufrecht hin. »Eins achtundsiebzig.«
Werner nickte, als ob er sich das schon gedacht hätte. »Damit kannste bei der Welthungerhilfe als Model anfangen, aber auf der Rutsche wird das nix.«
»Wieso denn das?«
»Schon mal was von kinetischer Energie gehört?«, fragte er zurück.
»Äh – nein.«
»Bewegungsenergie«, übersetzte der Bademeister und kaute
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