Abgeferkelt: Roman (German Edition)
sich da irrte. Da Kati das jetzt aber unmöglich zugeben konnte, redete sie schnell weiter. »Ich meine, weil ich euch so viel Extraarbeit mache und all das.«
»So schlimm ist das auch wieder nicht. Andere verlieren ihre Heimat.«
Als sie kurz darauf alle Lichter löschten und Seite an Seite das Verlagsgebäude verließen, merkte Kati, dass dieses verflixte Grümmstein anfing, ihr etwas zu bedeuten. Ob dies nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, ließ sie erst einmal dahingestellt.
21.
A m Montag darauf war die Tür zu Jonas’ Büro fest verschlossen, als Kati zur Arbeit kam, und auch Manolo saß nicht an seinem Platz. Der einzige Kollege, den sie im Großraumbüro antraf, war Guido, der sich hochkonzentriert in die Samstagsausgabe vertieft hatte.
»Hi«, sagte sie, stellte ihre Tasche ab und machte den Rechner an. »Hat dir endlich jemand einen Alphabetisierungskurs spendiert, oder warum fängst du plötzlich an zu lesen?«
»Um Zeile für Zeile mitzuverfolgen, wie du dir dein eigenes Grab schaufelst«, entgegnete er, ohne den Blick von der Zeitung abzuwenden. »Und ich muss sagen: Mit dem Artikel über den schwulen Schützenkönig gelingt dir das ganz gut.«
Eine eiskalte Hand legte sich um Katis Herz. »Wieso?«
»Ich bitte dich. Ein Schwuler als offizieller Repräsentant dieser Stadt? Was meinst du, was hier heute Morgen los war?«
»Was war denn los?«
»Nun, abgesehen davon, dass bei Ellen so viele Beschwerdemails eingegangen sind, dass ihr Postfach gesprengt wurde, nichts Besonderes. Ach ja, und der Vorsitzende des Grümmsteiner Stadtschützenverbandes hat verlauten lassen, dass der schwule Verein beim Stadtfest nicht willkommen ist. Aber das hört sich Jonas gerade live und in Farbe am Telefon an, während Manolo ihm Beistand leistet.«
Völlig perplex ließ Kati sich auf ihren Stuhl fallen. »Verstehe ich das richtig? Die regen sich darüber auf, dass Manni Kowalski homosexuell ist?«
»Wie süß – du bist ja tatsächlich überrascht.«
»Aber … aber das ist intolerant. Und diskriminierend!«
»Willkommen in Grümmstein.«
»Ich dachte, das hier wäre die Homo-Hochburg in der Heide?«
Guido gluckste in sich hinein. »Wer hat dir das denn erzählt?«
»Das habe ich am Freitag so recherchiert …«
»Falsch. Das hast du dir aufbinden lassen. Eine Recherche wäre es gewesen, wenn du diese Info bei einer unabhängigen Quelle gegengecheckt hättest.«
»Und jetzt?«
»Jetzt isst du erst mal was.« Heinz kam ins Zimmer und legte einen prall gefüllten Stoffbeutel vor Kati ab. »Hat meine Frau mir extra für dich mitgegeben. Scheint so, als ob du heute eine zusätzliche Portion Heidschnuckenleberwurst gebrauchen könntest.«
In diesem Moment klingelte das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Das Display zeigte die Durchwahl von Jonas an, und sie spürte, dass ihr schlecht wurde. Mit zitternden Fingern nahm sie den Hörer ab. »Ja, bitte?«
»Frau Margold, kommen Sie sofort in mein Büro«, befahl er ohne Einleitung.
»Okay. Bin gleich da.«
Kati legte auf und blieb wie betäubt sitzen. Wie konnte eine harmlose Sache wie die Teilnahme an einem Schützenfest nur derart aus dem Ruder laufen? Hilfesuchend wandte sie sich an Heinz, der gerade dabei war, sein erstes Frühstücksbrot zu inspizieren. »Sag mal, gibt es in diesem Goldenen Handbuch für den journalistischen Nachwuchs auch einen heißen Tipp für den Fall, dass man Mist gebaut hat und zum Chef muss?«
»Klar gibt’s den.«
»Und welchen?«
»Arschbacken zusammenkneifen und durch«, sagte ihr Kollege und wandte sich seelenruhig wieder seiner Tupperdose zu.
So blieb Kati nichts anderes übrig, als ihre Unterlagen zusammenzusuchen und den Gang nach Canossa anzutreten.
»Herein!«, bellte Jonas auf ihr Klopfen hin durch die geschlossene Tür.
Sie trat ein und sagte kleinlaut: »Guten Morgen.«
Das war das Stichwort, auf das Manolo nur gewartet hatte. »Da schickt man dich einmal zu einem halbwegs wichtigen Termin, und schon brockst du uns so einen Mist ein!«, ging er auf sie los. »Was hast du dir nur dabei gedacht, eine derartige Jubel-Arie auf die schwulen Schützen ins Blatt zu setzen?«
»Manolo«, mahnte Jonas. »Mach mal halblang.«
»Im Gegenteil, ich fang jetzt erst richtig an! Seit Gründung dieses Verlags hat hier noch keiner einen solchen Bock geschossen!«
»Das reicht!« Jonas stand auf. »Frau Margold, dank Ihres Artikels hat mich der Oberbürgermeister heute Morgen unter der Dusche weggeholt. Er hat
Weitere Kostenlose Bücher