Abgeferkelt: Roman (German Edition)
den Eindruck, dass die Grümmsteiner Zeitung sich von der Schwulenbewegung für eine Imagekampagne instrumentalisieren lässt.«
»Wie bitte? Ich hab doch nur beschrieben, dass einer unserer homosexuellen Mitbürger Stadtschützenkönig werden möchte …«
»Stimmt, und das eine Spur zu wohlwollend«, zischte Manolo sie an.
»Ach, und wenn ich das alles negativ dargestellt hätte, wäre es in Ordnung gewesen?«
»Natürlich nicht«, beschwichtigte Jonas. »Sie hätten nachrichtlich-neutral über das Ereignis schreiben müssen, ganz so, wie ich es Ihnen gesagt habe. Manche Themen sind eben so sensibel, dass man genau den richtigen Ton treffen muss, um niemanden vor den Kopf zu stoßen.«
»Entschuldigung, aber daran, dass Homosexuelle auch in dieser Stadt ihre Daseinsberechtigung haben, gibt es nichts zu rütteln«, widersprach Kati. »Und da sollte es uns als Zeitung auch ziemlich egal sein, wen wir vor den Kopf stoßen.«
»Klar, wir agieren hier ja völlig im luftleeren Raum und sind auch überhaupt nicht auf Anzeigeneinnahmen angewiesen«, höhnte Manolo. »Und dass die Hälfte aller mittelständischen Unternehmen in Grümmstein jetzt nicht mehr bei uns inserieren will, sitzen wir ganz locker auf einer Arschbacke aus!«
»Wie bitte?!«
»So ist es leider«, erklärte Jonas. »Ich hatte eben ein sehr unangenehmes Gespräch mit dem Leiter des Stadtschützenverbandes. Er hat gedroht, dass die Mitglieder der jeweiligen Vereine keine Anzeigen mehr bei uns schalten, wenn wir weiterhin so wohlwollend über die Scharfen Schützen berichten.«
»Ich verstehe nicht ganz …«
»Nehmen Sie die Handwerker, die Kaufleute und Gastronomen, die bei uns angesiedelt sind«, zählte Jonas auf. »Diese Leute sind nicht nur unsere Abonnenten und Anzeigenkunden, sondern engagieren sich privat auch in überwältigender Mehrheit im Schützenverein.«
»Die Landschlachterei Thoms hat gleich heute früh einen sehr lukrativen Auftrag storniert«, setzte Manolo hinzu. »Und die ganzseitigen Anzeigen, mit denen der Verband den Ablauf des Stadtschützenfestes bewerben wollte, stehen auch auf der Kippe.«
Kati blickte von einem zum anderen. »Aber davon lassen wir uns doch nicht allen Ernstes unter Druck setzen …?«
»Nun, auch einige Autohausbesitzer in Stadt und Landkreis haben schon angekündigt, nicht mehr bei uns zu werben«, entgegnete Jonas. »Und das trifft uns gerade jetzt, wo die Zukunft des Verlages ungewiss ist, besonders hart.«
»Mit anderen Worten: Schadensbegrenzung ist angesagt«, warf Manolo ein. »Wir müssen uns dringend was einfallen lassen, um die aufgescheuchten Gemüter wieder zu besänftigen.«
»Und was schwebt dir da so vor?«, wollte Jonas wissen.
»Nun, wir könnten die bestehenden Schützenvereine diesmal ausführlicher als sonst vorstellen: Wir schreiben über jeden König ein Porträt und bringen außerdem eine Reportage zu den Vorbereitungen für das Fest. Der Leiter des Stadtschützenverbandes könnte sich darüber hinaus in einem Interview zur Entwicklung des deutschen Schützenwesens äußern …«
Fassungslos starrte Kati ihn an. »Wieso sollten wir uns bei diesen intoleranten Idioten derart anbiedern?«
»Vielleicht, um unsere Jobs zu behalten?«, schlug Manolo vor.
»Aber wir sind eine unabhängige Tageszeitung, Herrgott noch mal! Wo bleibt da die Pressefreiheit, wenn wir uns von Anzeigenkunden Inhalte diktieren lassen?«
»Gerade du müsstest das doch gewohnt sein. Oder hast du bei deinem Kosmetik-Blättchen jemals eine Zeile veröffentlicht, die nicht von PR durchtränkt war?«
»Als ob man das vergleichen könnte …«, fing Kati an, verstummte aber, als Jonas die Hand hob.
»So kommen wir nicht weiter«, sagte er ruhig. »Frau Margold, würden Sie uns bitte einen Moment entschuldigen?«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Kati begriff, dass sie den Raum verlassen sollte. »Ich? Äh, klar.« Mit steifen Schritten ging sie hinaus, öffnete die Tür und stieß prompt mit Guido und Heinz zusammen, die offensichtlich gelauscht hatten. Verblüfft sah sie von einem zum anderen. Dann schüttelte sie verächtlich den Kopf. »Ihr seid ja noch gestörter, als ich dachte.«
»Was willst du?«, verteidigte sich Guido. »Ist ’ne Berufskrankheit.«
»Jetzt haltet die Klappe, sonst fliegen wir auf«, sagte Heinz und presste sein Ohr wieder gegen die Tür.
Sofort drängelte sich Guido dicht neben ihn. Kati wusste nicht, ob sie lachen oder vor Wut laut aufschreien sollte. Dann aber traf
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