Abgeferkelt: Roman (German Edition)
bloß nicht aufgefallen?«
»Was willst du jetzt von mir hören?«
»Die Wahrheit, wenn’s geht.«
Jonas schloss die Augen. Wenn sie dieses Gespräch eine Woche früher geführt hätten, wäre er niemals über Kati hergefallen. Er hätte ihren wunderschönen Körper aus der Ferne bewundert und sich ansonsten darauf konzentriert, seine totgeglaubte Ehe zu reanimieren. Aber jetzt … fühlte sich mit einem Mal alles ganz anders an.
»Bist du noch dran?«, fragte Isabel leise.
»Ja.«
»Und was meinst du – haben wir noch eine Chance?«
Er wusste es nicht. Aber er spürte, dass sich ein Widerwille in ihm regte, der eigentlich nicht da sein sollte. Kati, Kati, Kati. Er bekam ihr Gesicht, ihr Lachen, den Klang ihrer Stimme einfach nicht aus dem Kopf. Und das war so billig, dass er sich fast dafür schämte. »Ein neuer Besen kehrt immer besser«, pflegte seine Mutter zu sagen, und recht hatte sie. Natürlich war es schöner, eine neue Liebe auszuleben, statt eine alte wieder aufzuwärmen. Nur – durfte man das, wenn man vier Kinder und noch dazu eine Menge Verantwortung hatte?
»Ehrlich gesagt überrumpelst du mich gerade ein bisschen«, wich er schließlich aus. »Könnten wir vielleicht ein andermal weiterreden? Ich bin ziemlich müde.«
»Klar, das verstehe ich. Wie wär’s, wenn ich mich am Freitag in den Zug setze und das Wochenende mit euch verbringe? Dann könnten wir in Ruhe über alles sprechen.«
»Gute Idee, ich hol dich vom Bahnhof ab«, hörte Jonas sich antworten. Doch nachdem er aufgelegt hatte, blieb er wie betäubt auf dem Sofa sitzen. Nacktbaden im See, rot-metallisch glänzende Schuhe – das alles war Teil einer Seifenblase, die soeben über seinem Kopf zerplatzt war.
26.
H auchdünne Spitze in Bordeauxrot. Das war die erste Unterwäschegarnitur, die Kati in der Hoffnung auf ein heißes Date nach Feierabend angezogen hatte. Völlig vergeblich, wie sich herausstellte: »Ich hab einen Termin bei der Industrie- und Handelskammer«, sagte Jonas, der irgendwie angespannt und in Eile wirkte. »Wir holen das nach, okay?«
Also entschied sich Kati am Tag darauf für mitternachtsblauen Satin. »Mein Vater hat mich gebeten, ein paar Sachen für ihn aus der Garage zu räumen«, hieß es dann. »Er ist nicht mehr der Jüngste und darf nicht schwer heben – das verstehst du doch sicher?«
Kati verstand vollkommen und legte schon mal ihren schwarz-weißen Schleifchenslip mit passendem Bügel-BH zurecht. Doch auch der kam nicht zum Einsatz. »Elternsprechtag«, sagte Jonas. »Zum Glück bieten die für Berufstätige auch Termine am Abend an.«
»Aha. Und – was machst du am Wochenende?«
»Wir haben da eine Art Familientreffen, bei dem ich jetzt noch nicht abschätzen kann, wie es laufen wird.« Er sah sie an. »Im Moment habe ich leider nicht so viel Zeit, wie ich gerne hätte. Tut mir leid, Kati.«
Sie war sich nicht sicher, was er damit sagen wollte, traute sich aber nicht, weiter nachzufragen. Stattdessen setzte sie ein möglichst unbedarftes Lächeln auf und erwiderte: »Macht nichts. Du kannst mir ja Bescheid sagen, wenn sich die Lage wieder etwas entspannt hat.«
Sie wollte sich abwenden, doch Jonas hielt sie fest. »Danke«, flüsterte er, streifte ihre Fingerspitzen mit einem federleichten Kuss und verschwand in seinem Büro.
Da fühlte Kati sich gleich viel besser und hechtete zu ihrem Platz zurück, wo das Telefon klingelte und klingelte und klingelte. Georgette war dran.
»Stell dir vor, eine Nachrichtenagentur aus Hannover hat deinen Artikel über uns gelesen«, erzählte sie. »Jetzt kommen die morgen nach Grümmstein und wollen mit Manni ein Interview machen.«
Kati war verblüfft. »Das könnte den Schützenverband richtig in Erklärungsnot bringen.«
»Wieso?«
»Weil die Geschichte immer weitere Kreise zieht. Eine Nachrichtenagentur sendet ihre Beiträge an alle Zeitungen, Radio- und TV-Sender sowie an alle Internetredaktionen im Land, die diesen Dienst abonniert haben. Und damit bekommen auch immer mehr Leute mit, dass Homosexuelle beim Grümmsteiner Stadtfest nicht erwünscht sind.«
»Keine gute Publicity«, schlussfolgerte Georgette.
»Gar keine gute Publicity«, sagte Kati. »Und schon gar nicht für eine Stadt, die außer ein bisschen Heidekraut nichts zu bieten hat und trotzdem am Tourismus verdienen will.«
»Meinst du, die überlegen es sich anders und laden uns doch ein? Einfach, um nicht als intolerantes Nest dazustehen?«
»Möglich wär’s.
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