Abgehakt
gerade für dich abgegeben!« auf den Tisch legte. Sie murmelte ein »Danke!« und griff blind danach, ehe sie ihre Augen von dem Bauplan löste. Sie hielt einen großen, weißen, Umschlag in der Hand, dessen Anblick sie erstarren ließ. Ihre Hand begann zu zittern. Anne versuchte sich einzureden, dass es sich um einen ganz gewöhnlichen Brief handeln müsse, dass es diese Art Umschläge überall zu kaufen gab. Nach einigen Minuten öffnete sie den Umschlag und zog langsam ein einzelnes Blatt heraus. Anne überlief es eiskalt. Vor ihren Augen tanzten die aus Zeitungen herausgeschnittenen Buchstaben.
»Nein!«, rief sie laut und ließ das Blatt fallen, als wäre es vergiftet. Anne schloss die Augen. Vielleicht ist das nur wieder einer meiner Albträume, dachte sie.
Doch diese Hoffnung wurde zunichte gemacht, als sie die Augen wieder öffnete. Der Brief lag noch immer direkt vor ihr und wartete darauf, zur Kenntnis genommen zu werden. Einen Moment verharrte sie, fühlte, wie ihr Mund vor Anspannung trocken wurde, dann las sie:
Hallo, du geschorenes Flittchen!
Warst ja in letzter Zeit ganz brav und hast Mark nicht gesehen. Aber ich bin immer noch sauer, weil du verbotenerweise die Polizei gerufen hast. Ziemlich sauer sogar! Deswegen mache ich dir ein Versprechen: Siehst du Mark nur noch ein einziges Mal wieder, bist du tot!!! Und es wird mir ein Vergnügen sein, auch deinen Fall abzuhaken.
Du stehst unter Beobachtung, solange wie nötig!
Deine ganz spezielle Freundin
Ein eiskaltes Gefühl breitete sich ausgehend von ihrem Magen in Anne aus. Was hatte das zu bedeuten? Sie konnte nicht klar denken. Alles wirbelte in ihrem Kopf durcheinander. Sie steckte den Brief zurück in den Umschlag und griff zum Telefon.
Allein Carstens Stimme zu hören, trug zu ihrer Beruhigung bei. Sie erzählte ihm mit wenigen Worten von dem Brief. Keine halbe Stunde später trat er in ihr Büro und nahm sie in die Arme.
»Carsten, muss ich Angst haben?«, fragte sie und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie dieser Brief aufregte.
»Nein, ich glaube nicht. Aber wir werden das klären und fahren sofort zu Martin.«
Sie trafen ihn in seinem Büro an und legten ihm den Brief vor. Martin las und blickte sie dann schweigend an.
»Was hältst du davon?«, forderte Carsten ihn auf zu sprechen.
»Ich bin nicht ganz sicher, aber bevor wir irgendwelche Vermutungen anstellen, werden wir sofort überprüfen, ob die Böhmer aus dem Gefängnis an irgendjemanden Post geschickt hat, der die Sendung dann an Sie, Frau Degener, weitergeben konnte. Das haben wir gleich.«
Er griff zum Telefon und ließ sich mit dem Gefängnis verbinden. Wenig später hatte er alle Informationen, die er brauchte. »Also«, wandte er sich an Anne und Carsten, »sie hat keine Post bekommen und offiziell auch keine verschickt. Die Besucherliste wurde gecheckt. In den letzten vier Wochen hat sie nur Besuche von ihrem Anwalt und einen von einer Frau namens Brigitte Mayer bekommen.«
»Brigitte Mayer ist eine Arbeitskollegin von ihr, soweit ich weiß«, erklärte Anne.
»Auf dem Überwachungsvideo der Besuche sieht man eindeutig, dass nichts zwischen der Gefangenen und den Besuchern ausgetauscht wurde.«
»Aber kann der Anwalt ihr nicht einen Gefallen getan haben?«, fragte Anne. »Die werden doch nicht beobachtet, oder?«
»Doch, auch die werden beobachtet. Da ist nichts.«
»Was ist mit Anrufen?«, wollte Carsten wissen.
»Keine Anrufe rein oder raus.«
»Fazit«, sagte Carsten, »der Brief kam nicht aus dem Gefängnis.«
»Dann hat sie einen Komplizen?« Anne blickte Martin ängstlich an.
»… der jetzt da weitermacht, wo die Böhmer aufgehört hat?« Martin stand auf und ging zum Fenster. Schweigend blickte er einen Moment hinaus. »Möglicherweise, aber ehrlich gesagt glaube ich das nicht.«
»Aber wie wäre das sonst möglich?«
Martin wollte auf Annes Frage am liebsten nicht antworten, doch ihr Blick forderte ihn unerbittlich dazu auf.
»Vielleicht gibt es ja doch einen Komplizen. Ganz ausschließen können wir das nicht. Aber wenn nicht, muss jemand anderes dahinter stecken.«
»Sie meinen, dass Daniela dann gar nicht die Mörderin und die Absenderin der Briefe ist?«
»Man kann das aufgrund des Briefes wohl nicht ganz ausschließen.«
»Ist es denn nicht möglich, dass Mörder und Briefeschreiber verschiedene Personen sind?«, fragte Anne hoffnungsvoll.
»Das scheint mir sehr unwahrscheinlich bei allem, was wir bis jetzt
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