Abgehakt
jedenfalls nicht. Ich war nur im Schlafzimmer, und der Kerl hat im Flur gewartet.«
»Wie sah der Typ aus?«
»Was weiß ich.« Daniela war sichtlich genervt.
»War es der, mit dem du mich neulich gesehen hast? Der, mit dem du mal spät abends an der Tür gesprochen hast?«
»Nee! War wohl dein anderer Lover«, sagte Daniela abfällig. »Hast ja scheinbar mehrere.«
»Ich hab’ nicht mehrere.« Am liebsten hätte Anne ihr ins Gesicht geschlagen. »Und jetzt sag endlich: Wie sah der Mann aus?«
»Dunkelhaarig, schlank und nicht so groß wie der von neulich. So’n ausländischer Typ mit ’nem Bart.«
Anne war skeptisch. Wenn Daniela log, machte sie das gut. Und dass sie log, war ziemlich sicher, denn Anne kannte niemanden, der so aussah wie der Mann, den Daniela beschrieben hatte.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging zurück in ihre Wohnung. Was sollte sie jetzt tun? Sie hatte keine Ahnung. Sie war verwirrt, wütend und ängstlich zugleich. Sie ließ sich in den Sessel fallen und fühlte, wie ihr Herz immer noch hämmerte. Versuche dich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sagte sie sich. Offenbar musste der Briefeschreiber gesehen haben, dass Mark gestern bei ihr gewesen war, und hatte sofort reagiert. Da sie Mark jedoch in Zukunft nicht mehr wiedersehen würde, sollte dieser anonyme Verfolger sie bald wieder in Ruhe lassen. Dieser Gedanke beruhigte Anne etwas.
Sie ging immer noch davon aus, dass Daniela hinter allem steckte, aber von ihr ging eigentlich keine ernsthafte Gefahr aus. Oder doch? Wie gut kannte sie sie überhaupt? Und war es nicht so, dass man Psychopathen nicht unbedingt als solche erkannte? Bislang hatte sie sich ihr überlegen gefühlt. Sie war selbstbewusster als Daniela und konnte sie in Grund und Boden reden. Aber würde ihr das helfen, immer mit ihr fertig zu werden? Sie war sich nicht sicher. Und was, wenn es diesen unbekannten Typ doch gab, von dem sie gesprochen hatte?
Als sie so zusammengekauert dasaß, wurde Anne schmerzlich bewusst, wie einsam sie sich fühlte. Da war niemand, an den sie sich anlehnen, mit dem sie reden konnte. Bis in die frühen Morgenstunden saß sie im Wohnzimmer und merkte nicht, wie die Zeit verging. Erst als sie draußen eine Autotür zuschlagen hörte, sah sie auf die Uhr und stöhnte. Schon vier Uhr. Es blieben ihr gerade noch drei Stunden, ehe Kelly ihren Hund bringen würde und sie sich fürs Büro fertig machen musste.
Um Viertel vor sieben wurde sie durch das Klingeln der Türglocke geweckt. Erschrocken fuhr sie hoch und blickte auf die Uhr. Sie hatte vergessen, den Wecker zu stellen. Sie lief zur Tür und öffnete. Kelly kam ihr strahlend entgegen, Sunny schwanzwedelnd an ihrer Seite. Anne lächelte die beiden müde an. Dabei freute sie sich ehrlich, den Hund nun bei sich zu haben. Er würde ihr ein Gefühl der Sicherheit geben. Bereitwillig kraulte sie ihm den Rücken.
»Komm, Sunny«, forderte Anne den Hund auf. Sie folgte der Freundin, die bereits zwei Taschen mit Sunnys Utensilien in der Küche abstellte. »Schön, dass du da bist, Kelly«, sagte sie und nahm sie in die Arme.
»Sag mal, wie siehst du denn aus?« Mit sorgenvoller Miene betrachtete Kelly die vollkommen übernächtigte Freundin.
»Ich hatte eine kurze Nacht.«
»Warum? War Mark da?« In ihrem Ton schwang deutliche Missbilligung mit.
»Nein. Aber die Post!«
»Welche Post?«
»Das ist eine längere Geschichte.«
»Ich habe noch Zeit, und du musst erst mal frühstücken, um richtig wach zu werden. Dabei kannst du mir alles erzählen.« Eindringlich ruhte Kellys Blick auf ihr.
»Okay. Dann gehe ich heute mal etwas später ins Büro.«
»Lobenswert!«
Anne berichtete jedes Detail des gestrigen Abends. Nach den ersten Sätzen hatte Kelly aufgehört die Brötchen zu belegen und sich zu ihr gesetzt. Sie unterbrach die Freundin nicht, bis sie geendet hatte. Dann nahm sie sie in die Arme und hielt sie einen langen Augenblick fest. »Du musst zur Polizei gehen!«, sagte sie ernst.
»Ich weiß nicht.«
»Aber ich. Das war jetzt eindeutig zu viel. Was soll noch alles passieren?«
»Jetzt wird nichts mehr passieren. Mark kommt ja nicht mehr.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Selbst wenn, musst du dieser Irren das Handwerk legen. So eine darf doch nicht ungestraft durch die Gegend laufen.«
»Wahrscheinlich wäre es tatsächlich nicht schlecht, wenn jemand Daniela mal unter die Lupe nimmt. Ich denke wirklich, dass sie es war.«
»Ja, das liegt nahe. Auch wenn
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