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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krug
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distanzieren. Das drucken sie.
     
    Lamberz:
    Nicht einen Tag, zwei Tage später. Jetzt muß man folgendes verstehen. Die Leute, die Biermann gehört haben oder manches gehört haben von ihm, haben gestern auch ihre Meinung sagen wollen dazu. Und das Politbüro war der Meinung, keine solche Diskussion zu machen, sondern wir waren daran interessiert, wirklich in einer Debatte – deshalb haben wir euch eingeladen und andere eingeladen – die Sache zu regeln. Aber alle, die gekommen sind – und es gibt noch mehr, viel mehr, viel mehr, und Leute gleichen Ranges –, die haben verlangt, das zu drucken.
     
    Heym:
    Wir haben auch verlangt, daß Sie die Erklärung drucken.
     
    Lamberz:
    Wir haben Biermann von 1953 bis 1973, an die 20 Jahre lang, ertragen. Ich weiß nicht, wie lange ihn dann die anderen ertragen werden. Wir haben gezeigt, daß wir Geduld haben. Ich hab selbst schon mit ihm diskutiert. Wir haben die erste Dichterlesung unseres Landes organisiert in der Humboldt-Universität. Schubert, du müßtest das wissen. 1960, mit Biermann zusammen. Ich habe … Um ihn wurde auch gekämpft, und es wurde auch diskutiert. Also, wenn wir einen Weg finden können, ich meine nicht den Weg: Ihr nehmt zurück und alles bleibt, sondern einen differenzierten Weg, einen wirklich klugen und überlegten Weg, so würde das ganz gewiß in meinem persönlichen Interesse liegen.
     
    Wolf:
    In meinem auch.
     
    Lamberz:
    Weil ich glaube – Leidenschaften hin und her –, wir werden sonst in eine Diskussion kommen, die für Sie viel komplizierter wird. Weil natürlich viele Leute – ich meine jetzt nicht das Politbüro, das Politbüro ist da ruhiger –, aber doch viele Genossen sehr erregt sind. Sehr erregt. Und, um das offen zu sagen, das Politbüro hat bis jetzt gebremst …
     
    Krug:
    Hoffentlich sind das nicht dieselben, die so erregt waren bei der Aufführung des Films »Spur der Steine« in den Kinos, Werner, das wäre schade. Das klingt ein bißchen wie eine Drohung. Ich höre das schon wieder heraus. Das klingt so nach Steine schmeißen …
     
    Heym:
    Der Heiner Müller will die ganze Zeit nichts reden. Nun laßt ihn mal reden, er meldet sich.
     
    Heiner Müller:
    Ganz simpel. Es hat keinen Zweck, darüber zu reden, was da falsch oder richtig war bei dem Weg, den diese Erklärung gegangen ist. Es geht jetzt nur darum, was man daraus machen kann, wie daraus eine Chance werden kann, um über die Dinge zu reden, über die wir eigentlich alle reden wollen und worüber Gespräche eben immer nur in solchen Runden möglich waren. Ich glaube auch nicht, daß es möglich ist, noch jetzt bei dem internationalen Kontext der DDR, daß man nur die Öffentlichkeit in Betrieben, Institutionen usw. als Öffentlichkeit definiert. Es muß auch mal die Presse langsam eine Öffentlichkeit werden für Meinungen. Das ist dann sicher immer eine Streitfrage, wieviel da möglich ist. Gestern gab’s ein Gespräch, das einzige, und jedenfalls hatte ich den Eindruck, die wären völlig zufrieden gewesen, wenn ich sagen würde: Ich nehm’ alles zurück. Und das ist ganz dumm. Erst mal ist es beschämend, so was von einem zu erwarten, und dann finde ich den propagandistischen Effekt gerade negativ. Das hat überhaupt keinen Sinn. Das kommt bei den Leuten nur so an: Also gut, den haben sie nun in die Mangel genommen und nun …
    Ich überlege einfach, was man jetzt daraus machen kann. Und ich sehe auch ein, daß die Situation blöd ist. Natürlich sollte man alle Leute daran hindern, da weiter zu unterschreiben, das ist ganz klar. Aber wie man jetzt daraus etwas machen kann, was überleitet in eine Diskussion, nicht um Biermann …
     
    Lamberz:
    Ich bin zum Beispiel für eine Diskussion sehr vieler dieser Probleme, und unser Anliegen war immer, in den Künstlerverbänden diese Diskussion zu entwickeln. Wir haben doch lange aufgehört, vorher uns anzusehen, Werke zu lesen, zu zensieren. Wir leben in einer ganz anderen Welt jetzt. Christa! Oder nicht? Du kennst die alte …
     
    Wolf:
    Du, ich habe das gesagt und beklagt, solange es mich betraf. Heute ist auch wieder eine andere Luft um mich.
     
    Lamberz:
    Um so erschütternder – das sage ich ganz offen –, um so erschütternder wurde und wird für mich die ganze Angelegenheit.
     
    Frank Beyer:
    Verzeihung, Genosse Lamberz, darf ich auch einen Satz dazu sagen. Das ist mir auch so gegangen. Bis vorgestern habe ich das auch gedacht. Bis ich diesen Artikel im ND gelesen habe. Und mir schaudert,

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