Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

Titel: abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
Vom Netzwerk:
festhalten, denn ich hasse solche Steckrübenwinter-Geschichten. Die sind so peinlich. Keiner will in die Abgründe und dunklen Zimmer irgendwelcher Leben gucken. Ich am allerwenigsten, vor allem, wenn der moralische Zeigefinger direkt auf mich zeigt. Oma Berti fixierte mich über ihre Bierflasche hinweg, als erwarte sie eine Antwort von mir. Sie blies in die halbleere Flasche und entlockte ihr ein paar tiefe Töne. Was hätte ich nach dieser Geschichte noch sagen sollen? Winnie – der Sohn eines Schiffschaukelbremsergehilfen! Berti war nicht zimperlich, wenn es darum ging, ihre Meinung zu sagen.
    »Sach ma, meinze, wir sollten so Eulen und Hexenbesen aus Brause für Weihnachten bestellen?«
    »Was? Eulen?«
    »Wegen Harry Potter. Die Blagen stehen drauf.«
    »Berti, du hast dich die ganze Zeit um Winnie gekümmert? Obwohl du gar nicht seine richtige Oma bist?«
    »Wat is denn eine richtige Oma?« Sie schaute mich über ihre Bierflasche hinweg an. Ihre Falten sahen eine Spur tiefer aus als sonst. »Der Junge hat sich Weihnachten anno ’71 vom Christkind ’ne Omma gewünscht, und dat Christkind hat ihm eine gebracht. Wat is daran falsch?«
    »Nix. Und ich find’ Hexenbesen und Eulen super. Ich geh’ mal nach vorne.«
    »Aber nur, wenne kapiert has’, wat ich dir sagen will.«
    »Ich glaub’ schon. Wenn Wilma morgen sterben würde, hätte ich echt Stress mit dem Friseursalon. Vom Haareschneiden versteh’ ich nämlich nix.«
    »Dir sollte man doch ma ordentlich wat hinter die Löffel …«
    »Ja?!«
    »Manchmal glaub’ ich, du weiß gar nich …«, Berti knallte die halbleere Bierflasche auf den Tisch. Das Bier schäumte und stieg in der Flasche hoch. Berti verschränkte mit beleidigter Miene die Arme vor der Brust und guckte zu, wie das Bier auf die Wachstuchtischdecke troff.
    »Danke, dass du helfen willst, Berti, aber ich kann mich nicht dran erinnern, dass ich mir zu Weihnachten eine moralische Standpauke gewünscht habe. Ich mach’ die Zeitungen fertig.«
    Ich hatte es längst verstanden. Aber das hieß noch lange nicht, dass ich es auch wirklich begriffen hatte.
    Herrmanns und Borowski standen immer noch konzentriert über ihre Rechnung gebeugt am Kioskfenster.
    »Na, hasse von Berti wat mitte Kasperklatsche gekricht?«, feixte Herrmanns.
    Borowski lachte meckernd. Ich starrte die beiden an, bis ihnen das Lachen im Halse stecken blieb. »Und jetzt die schlechte Nachricht, meine Herren. Herrmanns, dein wissenschaftlicher Beweis ist echt für’n Arsch.«
    »Wat? Wieso?«
    »Flens, Herrmanns! Flensburger hat auch Bügelverschlüsse. Wenn ich dann mal kassieren darf?«

16
    Am Samstagmorgen war das Haus ganz still, und ich genoss meine erste Tasse Espresso und meine erste Zigarette alleine auf der Terrasse, ohne Gefahr zu laufen, umtanzt zu werden. Es war auch noch zu früh für Golfball-Attacken und die Rasenmäherdivision. Das würde sich in ungefähr einer halben Stunde dramatisch ändern, aber bis dahin nutzte ich die Ruhe, dachte über alte Zeiten nach und ob ich denn nun zu Ritas Sektumtrunk gehen sollte oder nicht.
    Will ich Rita eine Freude machen? Denn so hatte es ja geklungen – sie würde sich freuen, mich zu sehen. Und wenn sie morgen tot wäre? Würde es mir was ausmachen? Die Antwort darauf war ein klares – na ja. Und warum sich über ungelegte Eier überhaupt Gedanken machen?
    Aber wäre es nicht auch lustig, Konny Sattelmann, dem alten Hütchenspieler vom Schulhof, mal wieder ordentlich eins einzuschenken? Dass der Anwalt geworden war, sprach ja schon Bände. Konnte es möglich sein, dass Konny sich vom Saulus zum Paulus gewandelt hatte? Damals, als wir noch heimlich im Park neben der Schule die ersten Kippen gepafft hatten, hatte Konny seinem Vater die Zigaretten abgezweigt und sie uns dann einzeln für einen Horrorkurs von fünfzehn Pfennig verkauft. Nach seinen ersten Erfolgen als Zocker mit Fußball-Sammelkarten und als Dealer für geklaute Zigaretten war sein Business schnell expandiert. Für seinen größten Coup allerdings wäre er beinahe in den Knast gegangen. Konny hatte uns allen Führerscheine besorgt. Das war zu der Zeit, als unsere Clique einen wahnsinnigen Drang verspürte, die Wochenenden in Amsterdam verbringen zu müssen. Da waren wir cool, trugen nach Patchouli stinkende Felljacken vom Flohmarkt und mit Neonfarben besprühte Springerstiefel. Mit vernebeltem Blick auf die Grachten stopften wir uns mit Haschkeksen voll, bis es Zeit war, ins Melkway oder ins Paradiso zu

Weitere Kostenlose Bücher