abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
eine Mülltonne, die vor einer Mauer direkt rechts neben dem Geländer stand. Dahinter befand sich vermutlich ein kleiner Garten. Die linke Seite des Hauses wurde durch drei Garagen vom Nachbargrundstück abgegrenzt.
»Lass mal klingeln.«
Während Wilma mit ihrem Handy am Ohr Wache hielt, kletterte ich auf die Mülltonne, stemmte mich hoch und schaute über die Mauer auf einen gepflasterten Weg, der neben einem Blumenbeet am Haus entlangführte und nach ein paar Metern in einen Garten mündete. Das Haus war ungewöhnlich tief ins Grundstück hineingebaut, was man von der Vorderfront aus gar nicht sehen konnte. Wahrscheinlich zwei Anbauten aus jüngeren Jahren. Im zweiten zeugte ein blauer Schein davon, dass da jemand vorm Fernseher saß. Um nicht zwei Meter tief in den Innenhof springen zu müssen, balancierte ich auf der schmalen Mauer entlang bis zum erleuchteten Fenster. Je näher ich kam, desto deutlicher war ein klingelndes Telefon zu hören. Wie für mich bestellt, ragte der Ast einer Birke über die Mauer. Ich hielt mich daran fest und beugte mich weit in Richtung Fenster vor.
Er stand neben einem Sideboard und hielt den Kopf gesenkt. Konny starrte sein klingelndes Telefon an und konnte sich wohl nicht entscheiden, ob er zu Hause war oder nicht.
Ich trippelte mit ausgestreckten Armen die zehn Meter auf der Mauer zurück und versuchte beim Abstieg, so leise wie möglich zu sein. Wilma machte keine Anstalten, die Mülltonne festzuhalten oder mir anderweitig behilflich zu sein. Es standen außer Schühchen, Kostümchen und Halskettchen schließlich noch zehn polierte Fingernägel auf dem Spiel.
»Was gesehen?«
»Er ist da. Der Idiot ist wirklich da. Steht da und starrt sein klingelndes Telefon an.«
»Wie schade für dich, Konny«, sagte Wilma und drückte auf die Klingel – so lange, bis sich nach mehreren Minuten die Tür öffnete und unser alter Schulfreund auf Strümpfen vor uns stand. Seine dunkelbraunen Haare hingen ihm fettig ins aufgedunsene Gesicht, sein Hemd halb aus der zerknitterten braunen Hose, und er roch ein bisschen wie nasser Köter. Vom gut aussehenden Schulhofcharmeur mit halbkriminellen Import-Export-Ambitionen war nicht mehr viel übrig.
Offensichtlich fand er den Anblick seiner beiden alten Schulfreundinnen nicht erbaulich. Bevor wir auch nur ein Wort sagen konnten, wollte er uns die Tür vor der Nase zuschlagen, aber Wilma war schneller. Sie pfiff auf ihre Fingernägel, ihre rechte Hand schoss nach vorn, packte Konnys schmutzigen Hemdkragen und schubste ihn in den Hausflur. Konny schüttelte sich, als Wilma sein Hemd endlich losließ, drehte sich ohne ein Wort zu sagen um und schlurfte mit hängenden Schultern los. Wir folgten ihm durch einen langen, dunklen Flur, bis wir in seiner muffig riechenden Wohnung standen. Ich wettete mit mir selbst, dass auf der gesamten Einrichtung der Kuckuck klebte. Alle Möbelstücke sahen aus wie aus einem Designer-Katalog. Alles, was das teuerste Einrichtungshaus am Platze liefern konnte, war hier abgestellt. Über die ganze Wohnung verteilten sich diverse Weinflaschen: manche halb leer, manche waren auf dem Teppich umgekippt und ausgelaufen. Konny hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, seine Zigaretten im überquellenden Aschenbecher auszudrücken. Etliche Kippen schwammen im Rotwein.
In einer Ecke, immerhin, hatte er es geschafft, die leeren Flaschen zu stapeln. Auf dem Sideboard, das ich durch das Fenster bereits gesehen hatte, standen drei Flaschen mit dem Etikett Château Petrus in einer roten Pfütze. Konny nahm im Vorbeigehen einen Schluck aus einer der Flaschen, verzog das Gesicht und öffnete eine Tür. Er stieg die ersten Stufen einer Wendeltreppe hinab und dozierte leicht lallend: »Der Zweitausendeinser hält nicht, was er verspricht … und mein Alter hat 25 Flaschen davon eingelagert. Ph!«
»Was kostet eine Flasche davon?«, flüsterte ich Wilma zu.
Wilma roch an der Flasche und seufzte: »Perlen vor die Säue. Um die Tausend, Maggie. Und guck mal hier«, sie hatte einen silbernen Kerzenleuchter hochgehoben und hielt ihn mir entgegen.
Unter dem Leuchter klebte das Siegel des Gerichtsvollziehers. Wilma bückte sich schnell noch mal und hob einen der Sessel an.
»Schon alle Kuckucksnester gefunden, Wilma?«, kam Konnys Stimme aus dem Keller.
»Nein, Konny, ich wollte nur mal sehen, ob der Sessel ein echter Eames Chair ist.«
»Jedenfalls war es ein echter Gerichtsvollzieher, der die Dinger da aufgeklebt hat. Er
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