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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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Mastbauweise zumindest ein Niederwald stehen bleiben kann. Anders sieht es freilich wieder aus, wenn die Kabelführung entlang ohnehin vorhandener Straßen erfolgt. Man kann sich bei der Güterabwägung natürlich trotzdem für Erdkabel entscheiden, sollte dabei aber nicht so tun, als wäre es eine Wohltat für die Umwelt. Und wer sich primär an der Optik der Strommasten stört, der tut recht daran, zu hinterfragen, ob die dominierende Stahlgitterbauweise die einzig mögliche ist. Sicher stellt sie unter Kosten- und Sicherheitsaspekten das Optimum dar. Aber gutes Design sieht anders aus. Es lohnt der Blick nach Skandinavien, seit jeher Impulsgeber in Sachen guten Geschmacks. Die Netzbetreiber in Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und Island treffen sich sogar auf Konferenzen, um sich über Gestaltungsalternativen auszutauschen. Dort berichten sie über Designwettbewerbe, die sie ausgeschrieben haben, und konkrete Projekte, wie die im Januar 2011 genehmigte Höchstspannungsleitung in Jütland. Die kommt mit grazilen Einzelmasten aus, wo früher zwei Stahlgittertürme nebeneinander gestanden hätten.
DER UNBERECHENBARE VERBRAUCHER
    Die Stabilität des Netzes hängt aber nicht am Netz allein. Zum einen können auch Solar- und Windanlagen durch zusätzliche technische Einrichtungen dazu beitragen, dass die Netzstabilität größer wird. Ein Beispiel sind Wechselrichter, die Photovoltaikanlagen bei erhöhter Netzfrequenz nicht mehr schlagartig vom Netz trennen, sondern ihre Leistung stufenlos langsam herunterregeln und sich damit in ihrem Verhalten konventionellen Kraftwerken annähern. Dazu müssen die dezentral einspeisenden Erzeuger in die Netzsteuerung einbezogen werden. Zum anderen wird intensiv daran gearbeitet, die bislang stets instabile Verbraucherseite berechenbarer zu gestalten. Diese Arbeiten werden unter dem Schlagwort »Smart Grid«, Intelligentes Netz, zusammengefasst.
    Die Grundidee ist wieder simpel: Wenn die Stromerzeugung schwankt, sollte Strom möglichst dann verbraucht werden, wenn er in ausreichender Menge vorhanden ist. Natürlich geht es nichtdarum, den Menschen vorzuschreiben, wann sie das Licht einschalten oder ferngucken dürfen. Aber eine Menge Verbraucher haben eine gewisse Zeitvariabilität: Wenn ich abends die Küche aufgeräumt habe, schalte ich den Geschirrspüler ein, damit ich am nächsten Morgen sauberes Geschirr habe. Mein Geschirrspüler legt dann sofort los, aber ich wäre völlig einverstanden, wenn er sich erst nachts um drei einschaltet, falls dann der Wind besonders heftig weht, sofern ich dafür nicht aufstehen muss. Diese Zeitvariabilität besitzen nicht nur Geschirrspüler und Waschmaschinen, sondern auch Kühlgeräte, die sich ja ohnehin immer wieder ein- und ausschalten, um einen gewissen Sollwert zu halten – nicht nur in unseren Küchen, sondern auch in großen Kühllagern. Analog gilt das für strombetriebene Wärmepumpen, die immer häufiger die Beheizung übernehmen. Und selbst in Fabriken, die rund um die Uhr betrieben werden, finden sich solche zeitvariablen Verbraucher.
    Eine sehr einfache Version dieser Verbrauchssteuerung stellt die Kombination zeitvariabler Stromtarife mit Stromampeln dar: Ist der Strom billig, weil reichlich vorhanden, springt eine im Haushalt angebrachte Ampel auf Grün. Obwohl so ein System alles andere als komfortabel ist, hat ein Mitte der neunziger Jahre in Eckernförde durchgeführter Pilotversuch gezeigt, dass man damit die Lastspitzen morgens, mittags und abends um etwa sechs Prozent reduzieren kann. Heute würde man die Anzeige vielleicht auf dem iPhone ablesen, aber intelligent ist in einem solchen System allein der Benutzer, der dann Geräte anschalten kann – oder es lässt.
    Ein Intelligentes Netz, wie es heute diskutiert wird, automatisiert diesen Prozess. In einem solchen Netz fließt nicht nur Strom, sondern auch Information. Der Stromzähler wird zu einer zentralen Energie-Kommunikationseinheit. Seine Aufgabe beschränkt sich nämlich nicht darauf, zu messen und Verbräuche anzuzeigen. Vielmehr steuert er, einmal programmiert, auch jene Verbraucher im Haushalt oder Gewerbegebäude, die für eine zeitvariable Nutzung freigegeben wurden. Allerdings müssen diese Geräte alle mit der Steuerung vernetzt werden. Und genau da liegt das Problem: »Derzeit stehen weder ein einheitlicher Standard bei Smart Applications noch die Geräte als solche in großem Umfang zur Verfügung«, schreibt der Branchenverband VDE in einer Studie.

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