Abgründe (German Edition)
begann er. »Aber diese Plage von Reportern hat rausbekommen, dass wir die kleine Prostituierte verdächtigen.«
Ethan runzelte verwirrt die Stirn. »Wie soll das denn gehen? Wir wissen es doch selbst erst seit ein paar Stunden.«
»Tja.« Donovan zuckte die Achseln. »Sie haben mich gerade eben darauf angesprochen, als ich das Gebäude betreten wollte. Ich war selbst überrascht, als ich gehört hab’, dass ihr eine Verdächtige haben sollt.«
»Hast du es abgestritten?«
»Sicher habe ich das. Wieso sagt ihr mir denn nicht Bescheid? Kann ich mit ihr-«
»Sie war es nicht. Wir haben zumindest keinerlei Beweise.« Ethan trat ans Fenster und sah die Meute von Presseleuten und Fotografen, die sich noch immer vor dem Gebäude der Polizei tummelte. »Warum erteilt denen niemand einen Platzverweis oder so was?« Er hasste die Presse. Die Reporter und Fotografen richteten mehr Schaden an, als sie wahrscheinlich ahnten. Falsche, voreilige Berichte konnten Mörder nervös machen oder, wie in Cara-Mias Fall, den Verdacht zu schnell auf die Falschen lenken.
»Ich bin entschieden gegen die Pressefreiheit.« Donovan trat grinsend neben Ethan. »Wie läuft es mit Evangeline?«
»Gut. Wir kommen uns näher.«
»Ihr kommt euch näher? Was soll das heißen? Schaffst du es nicht, sie zu knacken?«
»Unsinn, nein. Ich will mit ihr bloß nichts überstürzen. Sie ist nichts für eine Nacht, verstehst du?«
»Klar. Ich habe schon lange kapiert, dass One-Night-Stands nicht das Wahre sind, aber dass du zu diesem Schluss kommst, wundert mich.«
Ethan blieb ernst. »Donovan…« Er sah seinen Kollegen kurz an, dann wieder starr nach draußen. »Hör mal, ich muss…«
Donovan verstand sofort. »Raus mit der Sprache. Was ist passiert?«
»Madison ist tot. «
Einen Augenblick herrschte Schwiegen. Wahrscheinlich hatte Donovan mit einer weniger schockierenden Nachricht gerechnet. Dann sog er scharf die Luft ein und atmete schwer wieder aus.
»Wie…?«, fragte er nur.
»Sie hat sich erhängt.« Ethan spürte Tränen in seinen Augen brennen. »Ich wollte es dir nur sagen, aber jetzt… Können wir vielleicht nicht weiter darüber sprechen? «
Donovan nickte verständnisvoll, doch sein entsetzter Blick sprach Bände. »Klar.« Er zwang sich sichtlich, die Fragen herunter zu schlucken, die ihm auf der Zunge brannten, um Ethan nicht weiter zu quälen. »Kann ich dir irgendwie helfen? Dir Arbeit abnehmen?«
»Hast du nichts zu tun, im Moment?« Ethan beobachtete die Reporter draußen aus feuchten Augen: Gerade blockierten sie die Putzkolonne, die ihren Dienst antreten wollte. »Außer, die Bestie zu fangen? Nein.«
»Dann fahr bitte noch mal zu Sean Johnsonn. Ihr zwei habt euch doch so gut verstanden. Er soll dir ein bisschen was über sich und sein Verhältnis zu Straßenprostituierten erzählen.«
Donovan riss ungläubig die Augen auf. »Ist nicht wahr!«
»Doch.« Ethan nickte und atmete durch. »Ist es.«
»Sean Johnsonn treibt es mit Prostituierten und tut so, als wäre Roxanna die Frau die er liebt? Was für ein Schwein.«
Ethan seufzte. Das hatte gesessen.
-43-
Es dämmerte bereits, doch Ethan war immer noch im Büro. Neben den Bildern der Opfer an der Wand hingen jetzt Fotos von allen, die etwas mit dem Fall zu tun haben könnten. Sean Johnsonn, Albert Jaiden, ja sogar Cara-Mia. Zwei der Männer hatten sexuellen Kontakt zu derselben Prostituierten gehabt. War es möglich, dass der Täter aus der Szene kam? Dass es jemand mit Insiderwissen war, der gezielt – ja, was eigentlich? Die Ehefrauen untreuer Männer tötete und ihre eigenen Sünden sichtbar machte? Das war nicht schlüssig, um viel zu viele Ecken gedacht.
Ethan hatte zunehmend das Gefühl, dass er sich von irgendetwas in die Irre führen ließ. Vielleicht übersah er etwas ganz Entscheidendes. Es musste Zusammenhänge geben, die sich ihm einfach noch nicht offenbart hatten.
Als es draußen dunkel wurde, hatte Ethan endlich etwas gefunden, das Grace Mitch indirekt mit Cara-Mia verband. Eine von Graces ehemaligen Klassenkameradinnen hatte nach dem College eine Zeitlang als Prostituierte gearbeitet. Sie hatte sogar eine eigene Polizeiakte, da sie mehrfach erwischt worden war. Zugegeben, eine wirklich kleine Gemeinsamkeit, aber Ethan klammerte sich an jeden noch so dünnen Strohhalm.
Er betrachtete gerade Ava Drapers Foto, als plötzlich die Tür aufflog. Donovan stand, völlig außer Atem, im Türrahmen. »Gerade eben ist ein Anruf rein gekommen. Es
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