Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
Euro waren in einer Packung Reis versteckt, die unauffällig und unverdächtig in einem Küchenschrank unter vielen anderen Packungen mit allen möglichen Inhalten stand. Niemand hätte bemerkt, dass die Schachtel schon einmal geöffnet und wieder verschlossen worden war, weil man nämlich nicht die geringste Beschädigung feststellen konnte. Unter dem Reis war das Geldbündel verborgen, ganz dicht zusammengerollt. Selbst wenn also jemand die Schachtel geöffnet hätte, hätte er erst den Reis ausschütten müssen, um das Geld sehen zu können. Ob das jemand getan hätte? Ich bestimmt nicht, dachte ich mir.
140 000 Euro in Hunderterscheinen fanden sich unter dem Fernsehfuß im Wohnzimmer. Man musste erst den schweren Fernseher liften, um den quadratischen Metallfuß kippen zu können, unter dessen Hohlraum das Kuvert mit den Geldscheinen lag. Die Kollegen meinten, dort hätten sie auf jeden Fall noch nachgesehen, das sei
ein Allerweltsversteck. Wirklich? Aber damit waren wir noch nicht am Ende. In einer Geldtasche im Schlafzimmerschrank, eigentlich nicht besonders versteckt, fanden wir noch einmal 6000 Euro in unterschiedlichen Scheinen.
Insgesamt waren es 246 000 Euro, die wir sichergestellt haben. Wie sich die Summe von 240 000 Euro zusammensetzte, schien klar zu sein. Aber woher kamen die restlichen 6000 Euro? Es lag nahe, dass es sich um das Geld handelte, das von Elisabeths Girokonto abgehoben worden war, beginnend am Mittwoch, 17. Juli, 6.00 Uhr. Zwei Stunden vor Beginn des Betriebsausfluges. Konnte das sein? Woher hatte Klaus F. die PIN? Und wo waren die Sachen aus ihrer Wohnung? Die konnten wir nirgends finden. Weder in seiner Wohnung noch in der von Thomas W. Hatte er die Sachen vielleicht auch schon »versilbert«? Oder stimmte seine Geschichte doch und Elisabeth S. war zuletzt wirklich bei ihrem Freund gewesen? Vor allem aber blieb die Frage: Wo waren die Vermissten? Oder präziser ausgedrückt: Wo waren die Leichen?
Parallel zur Wohnung wurden Klaus F.s Schrank und sein Schreibtisch auf der Dienststelle durchsucht, und ebenso wurde sein Computer von einem eilig herbeigerufenen Administrator ausgelesen. Und was da zum Vorschein kam, war so unfassbar wie der ganze Fall und der seltsame Beschuldigte: Es war eine Auflistung der Seriennummern sämtlicher Geldscheine, die wir bei ihm sichergestellt hatten.
Nach der Rückkehr auf die Dienststelle interessierte Klaus F. nur eine Frage: Was geschehe jetzt mit seinem Geld? Er meine damit die 100 000 Euro, die ihm gehörten. Als ich ihm sagte, dass die genaue Herkunft geklärt
werden müsse und das Geld so lange beschlagnahmt bliebe, wurde er unruhig. Und als Kollege K. mit einer gewissen Schadenfreude anfügte, die Steuerfahndung würde uns dabei sicherlich behilflich sein, war Klaus F. tief beleidigt. Er wolle sofort einen Anwalt und im Übrigen sage er kein Wort mehr. Das war’s dann. Ich hätte K. umbringen können.
Die Zeit bis zum Eintreffen des Anwaltes nutzte ich, um Klaus F. vor allem eines klar zu machen: Würden wir die Leichen finden, wäre er endgültig überführt. Als Kriminalbeamter kenne er ja die heutigen Möglichkeiten der Spurensicherung. Dann allerdings habe er die Chance vertan, von sich aus zur Aufklärung beigetragen zu haben. Er solle noch einmal bedenken, dass sich ein Geständnis strafmildernd auswirken könne. Er habe doch sicher schon einmal etwas von DNA gehört, fragte ich ihn, und er nickte, ohne etwas zu sagen.
Die Festnahme des Klaus F. hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Nicht nur in den Medien war das die Schlagzeile des Jahres. In Polizeikreisen löste sie einen Schock aus. Erst zwei Wochen vorher hatte ein Polizist eine Tankstelle überfallen und war dabei vom Tankwart erschossen worden. Und jetzt ein Kriminalbeamter, der des Doppelmordes beschuldigt wurde.
Im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft entschieden wir uns für eine umfassende Öffentlichkeitsfahndung, eines der wertvollsten Instrumentarien kriminalpolizeilicher Arbeit. Unzählige Verbrechen wurden erst nach Hinweisen aus der Bevölkerung geklärt, unzählige gefährliche Verbrecher konnten nur aufgrund einer Öffentlichkeitsfahndung
gefasst werden. Und weil jedes geklärte Verbrechen und jede Festnahme eines gefährlichen Verbrechers auch ein Stück Prävention ist, ist die Einbeziehung bzw. Information der Bevölkerung nicht nur als Befriedigung der Sensationsgier zu sehen, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit. Abgesehen davon, habe
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