Abgründe
Plural, so als sei er nicht allein unterwegs. Im Prinzip war er das ja auch nicht. Er unterzog sich auch nicht der Mühe, Erklärungen darüber abzugeben, weshalb die Ermittlung keinen Verzug duldete.
»Was ist los?«, fragte Knútur und blickte ängstlich in Richtung Küche.
»Es wäre vielleicht besser, wenn wir uns irgendwo zusammensetzen könnten«, schlug Sigurður Óli vor.
»Ist es etwas Wichtiges?«
»Durchaus denkbar.«
»Dann komm in mein Büro.«
Sigurður Óli folgte Knútur durch das luxuriöse Wohnzimmer mit Walnussparkett auf dem Fußboden, einer weißen Ledergarnitur und Grafiken an den Wänden.
»Hat es mit dem Kammerensemble geklappt?«, erkundigte sich Sigurður Óli.
»Wie bitte?«
»Als wir uns vor ein paar Tagen trafen, hast du ein Kammerensemble bestellt.«
»Ach ja. Das hat prima geklappt.«
»Haben die hier gespielt?«
»Ja.«
»Du willst verreisen?«
»Nein. Oder doch. Hat Maja dir das erzählt? Ich muss für ein paar Tage weg. Business.«
»Und Urlaub im Anschluss daran?«
Knútur ließ Sigurður Óli an seinem Büro den Vortritt. »Wir wollen ein paar Tage in Griechenland verbringen«, sagte er und schloss die Tür hinter sich.
»Es hat hoffentlich nichts mit mir zu tun«, sagte Sigurður Óli und sah sich in dem Büro um, das ganz nach seinem Geschmack war. Keine Bücher. Weiße Regale mit Kunstgegenständen, helles Parkett. Ein Fernseher mit Flachbildschirm und eine Stereoanlage, die mehr gekostet haben musste, als er in einem Monat verdiente. Zwei Computermonitore auf dem weißlackierten Schreibtisch. Ganz sicher Fußbodenheizung. So würde er es auch haben wollen, wenn er Geld wie Heu besäße.
»Nein«, sagte Knútur und versuchte zu lächeln.
»Seid ihr erst kürzlich hier eingezogen?«, fragte Sigurður Óli.
»Vor einem halben Jahr.«
»Das muss ja ganz schön was gekostet haben. Und die beiden Autos. Aber vielleicht ist das ja alles nur geliehen. Heutzutage gibt es ja alles auf Pump.«
Knútur zwang sich wieder zu einem Lächeln. Er hatte nicht vor, sich über seine finanzielle Lage auszulassen.
»Wie viel bist du wert?«, fragte Sigurður Óli. »Ist das nicht ein beliebtes Party-Spiel in euren Kreisen? Wenn das Kammerensemble weg ist und ihr versucht, nicht am Cognac zu ersticken? Wie viel bist du wert?«
»Nein, das weiß ich nicht. Was …?«
»Was glaubst du selber, was du wert bist? Weißt du das präzise?«
Knútur gab sich einen Ruck. »Ich habe keine Ahnung, was dich das angeht.«
»Uns, das heißt die Polizei, geht es möglicherweise etwas an.«
»Ich weiß nicht, weshalb es …«
»Wir wissen von Alain Sörensen«, schnitt ihm Sigurður Óli das Wort ab.
Knútur zeigte keinerlei Reaktion.
»Wir wissen von Luxemburg.«
Immer noch reagierte Knútur nicht. Er starrte Sigurður Óli an, der ein weiteres Mal die Liste mit den Teilnehmern der Gletscherfahrt aus der Tasche zog und ihm reichte.
»Es war ein Leichtes, diese Connection zwischen euch herauszufinden«, sagte er.
Knútur nahm das Blatt entgegen.
»Weshalb hast du so getan, als würdest du Sörensen nicht kennen?«
»Ich kenne ihn nicht«, sagte Knútur und reichte ihm das Blatt zurück.
»Ihr habt zusammen eine Gletschertour unternommen, das weiß ich aus sicherer Quelle.«
»Das ist nicht wahr.«
»Ich habe Zeugen«, sagte Sigurður Óli, der mit Patrekur telefoniert hatte. Patrekur hatte Sigurður Óli bestätigt, dass dieser Schwede, wie er Sörensen nannte, ganz eindeutig mit den vier Bankern zusammen gewesen war. Er konnte sich gut an diese Leute erinnern. Sigurður Óli fand das ausreichend. Er räusperte sich:»Sie bestätigen, dass Alain Sörensen mit euch zusammen war.«
Knútur war blass geworden.
»Trotzdem hast du, genau wie deine Kollegen, abgestritten, irgendeinen Namen auf der Liste zu kennen. Und auch jetzt behauptest du immer noch, diesen Mann nicht zu kennen.«
Knútur schwieg.
»Was für einen Grund gibt es dafür, dass ihr lügt? Kannst du mir das sagen? Weshalb haltet ihr bei einer derartig unbedeutenden Frage eine Lüge für notwendig? Eine Lüge, die euch so leicht nachzuweisen ist.«
Knútur gab ihm keine Antwort darauf.
»Da kommt man natürlich auf den Gedanken, dass ihr etwas zu verbergen habt.«
Sigurður Óli trat einen Schritt auf Knútur zu. »Wir wissen alles über diesen Mann«, sagte er. In Wirklichkeit wusste er so gut wie gar nichts, und erst recht nichts, was man als unlautere Machenschaft bezeichnen konnte. »Vater von zwei Kindern.
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