Abgründe
aufbringen, was für Ansichten diese Kriminellen zu diesem und jenem hatten oder wie ihr primitives Seelenleben funktionierte. In der Hoffnung, weitere Informationen aus Kristján herausholen zu können, hatte Sigurður Óli sich entschlossen, ihn sanft anzufassen.
»Nein, danke, ich rauche nicht«, sagte er und bemühte sich zu lächeln. »Es ist außerordentlich wichtig, dass wir ihn so schnell wie möglich finden. Wenn du auch nur den Ansatz einer Ahnung hast, wo dieser Toggi, wie du ihn nennst, sein könnte oder mit wem er sich in Verbindung gesetzt haben könnte, wären wir dankbar dafür.«
Kristján war auf der Hut, denn das Verhalten dieses Bullen war auf einmal sehr viel anders als das bei ihrem ersten Zusammentreffen, und er war sich nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte.
»Ich weiß gar nichts«, sagte er.
»Wer sind seine Kumpels? Er ist ein Unbekannter für uns, er hat sich nie strafbar gemacht. Deswegen sind wirdarauf angewiesen, ein bisschen Vertrauen in Leute wie dich zu setzen, verstehst du?«
»Ja, aber wie gesagt …«
»Ein Name würde vielleicht schon genügen. Jemand, den er dir gegenüber erwähnt hat, und wenn es auch nur ein einziges Mal gewesen ist.«
Kristján sah ihn an, leerte sein Glas und schob es Sigurður Óli hin.
»Du darfst mir gern Nachschub holen, mein Lieber«, erklärte der Bursche. »Wenn du zurückkommst, können wir uns ja ein bisschen unterhalten. Vielleicht fluppts dann bei mir.«
Nach drei Bier und nicht enden wollendem, stumpfsinnigem Geschwätz fuhr Sigurður Óli die Miklubraut entlang, auf der Suche nach einer Reparaturwerkstatt, die auf Motorräder und Motorschlitten spezialisiert war. Dort arbeitete ein Mann, der Höddi genannt wurde und der, Kristján zufolge, zu den wenigen Freunden von Þórarinn gehörte. Woher sie sich kannten, wusste Kristján nicht, aber die beiden hatten anscheinend das ein oder andere Ding zusammen gedreht, was das Eintreiben von Schulden und anderes betraf. Höddi hatte beispielsweise einmal einen weißen Range Rover im Wert von zwölf Millionen Kronen mit Lederpolstern und allem Drum und Dran auf Bitte des Besitzers in Brand gesetzt, weil der das Darlehen für den Wagen loswerden und gleichzeitig etwas aus der Versicherung herausschlagen wollte. Diese Bitte war über Toggi an ihn herangetragen worden, der den Besitzer kannte. Kristján wusste nicht genau, auf welchem Wege, denn Toggi war zu der Zeit in Spanien gewesen. Da die Sacheeilte, löste Höddi das Problem für ihn, was ihm leicht von der Hand ging, denn laut Kristján war er im Hinblick auf Feuerlegen kein unbeschriebenes Blatt. Außer Höddi waren ihm keine Freunde von Toggi eingefallen.
Höddi war groß und trotz Bauchansatz athletisch gebaut. Die eiförmige Birne war völlig kahl rasiert, und der dichte blonde Bart war sehr gepflegt. Er trug eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit der alten amerikanischen Südstaatenfahne. Er sah aus wie die Karikatur eines amerikanischen Rassisten. Als Sigurður Óli eintraf, beugte er sich gerade über ein chromglänzendes Motorrad. Kristjan hatte ihm gesagt, dass er gleichzeitig Besitzer und einziger Monteur in der Werkstatt war.
»Guten Tag«, sagte Sigurður Óli, »ich suche nach einem gewissen Höddi. Bist du das?«
Der Mann richtete sich auf. »Und wer bist du?«, fragte er misstrauisch. Er schien schon von weitem Probleme wittern zu können.
»Ich muss einen Mann namens Þórarinn, genannt Toggi, finden. Soweit ich weiß, kennst du ihn«, sagte Sigurður Óli. »Ich suche ihn im Rahmen einer Ermittlung. Du kannst dir sicher denken, worum es geht. Ich bin von der Kriminalpolizei.«
»Was für eine Ermittlung?«
»Eine Frau wurde überfallen und getötet.«
»Und weshalb kommst du zu mir?«
»Also, ich habe …«
»Wer hat dich hierhergeschickt?«, fragte Höddi. »Bist du allein?«
Sigurður Óli wusste nicht, wie die zweite Frage zu verstehen war. Ein Polizist war so gesehen nie allein,aber er war sich ziemlich sicher, dass es Höddi nicht um tiefsinnige Überlegungen dieser Art ging. Weshalb also die Frage? Wollte der Kerl über ihn herfallen, falls er zugab, dass er allein unterwegs war? Auf die erste Frage konnte Sigurður Óli auch nicht antworten. Er beabsichtigte nicht, Kristján zu erwähnen, auch wenn er eigentlich die größte Lust dazu hatte. Noch nie in seinem Leben hatte er sich durch ein derartig schwachsinniges Gespräch hindurchquälen müssen.
Deswegen stellte er sich einfach breitbeinig vor
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