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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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miteinander.«
    »Nein, es ist schon in Ordnung«, sagte Sigurður Óli, während er hinter Höddi auf die sechsspurige Breiðholtsbraut einbog. Höddi hatte ein ziemliches Tempo drauf. Gegen Abend waren die Temperaturen unter null gesunken, die Straßen waren spiegelglatt, und Sigurður Óli hatte noch keine Zeit gehabt, Winterreifen aufziehen zu lassen. Der Wagen schleuderte etwas in der Kurve, aber er bekam ihn wieder unter Kontrolle. Der Abstand zu Höddi, der jetzt in nördlicher Richtung raste, wurde immer größer.
    »Hattest du etwas Spezielles zu besprechen?«, fragte Bergþóra.
    »Ich?«
    »Als du gestern Abend angerufen hast. Es war so spät, ich dachte, es wäre vielleicht etwas passiert.«
    »Nein, ich …«
    Er näherte sich einer Kreuzung und bog bei Gelb in den Bústaðavegur ein. Wieder rutschte der Wagen weg. Höddi war bereits oben auf dem Hügel an der Bústaðakirkja. Sigurður Óli befürchtete, ihn aus den Augen zu verlieren. Und er spürte, dass er im Begriff war, Bergþóra zu verlieren.
    »… wollte bloß hören, wie es dir geht. Ich weiß nicht, ich hatte das Gefühl, dass unser letztes Treffen ziemlich schiefgelaufen ist. Ich wollte mit dir darüber reden.«
    »Bist du etwa am Steuer?«
    »Ja.«
    »Und dabei telefonierst du? Ist das vernünftig?«
    »Nein, wohl nicht.«
    Höddi bog auf den Réttarholtsvegur ein. Als Sigurður Óli die Ampel erreichte, stand sie auf Rot. Es war nicht viel Verkehr. Er blickte sich blitzschnell nach allen Seiten um und fuhr um die Ecke.
    »Ich weiß, dass es mich im Grunde genommen nichts angeht, aber ich fand, dass …«
    »Was?«
    »Ich fand, dass du … Gestern Abend am Telefon hast du so komisch geklungen«, sagte Bergþóra in dem Augenblick, als Höddi die Brücke über die Miklubraut überquerte. »Findest du es schlimm, dass ich mich mit diesem Mann treffe? Hast du etwas dagegen?«
    »Ich …«, setzte Sigurður Óli an und wünschte, dass er sich besser hätte konzentrieren können. »Ich kann ja gar nichts dagegen haben. Du kannst tun, was du möchtest.«
    Bergþóra schwieg und schien darauf zu warten, dass er noch etwas sagte. Seine Stimme passte nicht zu dem, was er sagte. Das Schweigen war erdrückend, und Sigurður Óli überlegte verzweifelt, was er sagen konnte. Er hatte am Abend zuvor angerufen, um Bergþóra zufragen, ob sie bereit sei, sich noch einmal mit ihm zu treffen, und hatte versprechen wollen, dass es anders werden würde als beim letzten Mal. Er hatte vor, sich zu bessern, ihren Standpunkt anzuhören, nicht steif und langweilig zu sein. Nicht wie seine Mutter zu sein. Aber er fand nicht die richtigen Worte, da er sich voll darauf konzentrieren musste, über die eisglatten Straßen durch die Stadt zu schlittern.
    »Ich will dich nicht weiter stören«, sagte Bergþóra schließlich. »Wir hören voneinander. Fahr vorsichtig. Du solltest nicht beim Fahren telefonieren.«
    Er hätte nichts lieber gewollt, als sie länger hinzuhalten und etwas zu sagen, was von Herzen kam, aber sein Kopf war leer.
    »Okay«, sagte er.
    Blöder hätte es wohl nicht laufen können, dachte Sigurður Óli, während er sah, wie Höddi ins Vogar-Viertel einbog. Bergþóra hatte aufgelegt.

Dreiunddreißig
    Sigurður Óli hatte Höddis Jeep aus den Augen verloren, da er bei diesen Straßenverhältnissen mit seinen Sommerreifen nicht schneller fahren konnte. Er bog ebenfalls ins Vogar-Viertel ein, fuhr bis zum Ende der Straße, aber nur um festzustellen, dass es sich um eine Sackgasse handelte. Er wendete, fuhr wieder zurück und hielt Ausschau nach dem Jeep, bog in die nächste Straße ein und kam zu einer Kreuzung. Er fuhr aufs Geratewohl nach links. Er war schon im Begriff, die Verfolgung aufzugeben, als er Höddis Jeep auf dem Parkplatz vor einem Schnellrestaurant sah.
    Er fuhr langsam an dem Haus vorbei. An der Theke hatte sich eine Schlange gebildet, Höddi stand ungefähr in der Mitte und starrte auf das Leuchtschild mit der Speisekarte oberhalb der Theke. Sigurður Óli parkte den Wagen in sicherer Entfernung und wartete. Er hatte sich spontan dazu entschlossen, Höddi auf eigene Faust ein wenig näher unter die Lupe zu nehmen. Normalerweise machte er so etwas nicht allein, sondern zusammen mit zahlreichen anderen Polizisten, und derartige Aktionen waren immer gut durchdacht. Die Genehmigung, ihn zu beschatten, hätte er aber nur bekommen, wenn er etwas Konkreteres als Höddis unangenehme Art in der Hand gehabt hätte. Der Mann war ihm

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