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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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sagte Sigurður Óli.
    Þórarinn kicherte. Finnur saß schweigend neben Sigurður Óli und verzog keine Miene.
    »Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?«, fragte der Rechtsanwalt.
    »Das ist der großartigste Schwachsinn, den ich je gehört habe«, erklärte Þórarinn.
    »Na prima, Toggi«, sagte Sigurður Óli. »Der Fall ist also aufgeklärt. Wir könnten nicht zufriedener sein.«
    »Genau, das sieht man dir an.«
    »Es dreht sich nur um die Frage, was du möchtest, wie dieser Mord in unseren Berichten bewertet wird. Gibt es da wirklich jemand so Bedeutenden, dass er unbedingt aus allem herausgehalten werden muss und die Annehmlichkeiten des Lebens genießen kann, während du zu sechzehn Jahren Knast verurteilt wirst? Dann wärst du aus reiner Blödheit der Gelackmeierte.«
    »Also, jetzt hör aber mal«, sagte der Rechtsanwalt.
    »Meiner Meinung nach solltest du darüber nachdenken.«
    »Danke schön«, erklärte Þórarinn. »Du bist ein wahrer Engel.«
    Sie trafen sich in einem Thai-Restaurant in der Nähe vom Hlemmur. Sigurður Óli spürte sofort, dass Bergþóra nicht mehr so gestresst war. Sie saß schon am Tisch, als er eintraf, stand auf und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er kam direkt von dem Verhör mit Þórarinn.
    »Kommt ihr mit den Ermittlungen voran?«, fragte Bergþóra.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist der Fall komplizierter, als wir dachten. Und du? Wie geht es dir?«
    »Ganz gut.«
    »Du hast also jetzt einen anderen?«
    Er versuchte, die Frage so klingen zu lassen, als hätte er nichts dagegen. Das gelang ihm aber nicht so recht, und Bergþóra spürte es.
    »Ich weiß nicht, ist ja erst drei Wochen her.«
    »Du bist drei Wochen mit ihm zusammen?«
    »Ja, oder einen Monat. Er arbeitet bei einer Bank.«
    »Wer arbeitet heutzutage nicht bei einer Bank?«
    »Ist was nicht in Ordnung?«
    »Doch, alles in bester Ordnung. Ich dachte bloß, wir … Ich meine, wir hätten … noch weiter versuchen wollen …«
    »Das dachte ich auch«, sagte Bergþóra. »Aber von dir kam nichts.«
    »… und jetzt das.«
    »… du hast nie Stellung bezogen.«
    Der Kellner kam zu ihrem Tisch und nahm die Bestellung entgegen. Sie überließen es ihm, zwei Gerichte von der Speisekarte zu wählen. Sigurður Óli bestellte sich ein Bier zum Essen, Bergþóra ein Glas Weißwein. Sie unterhielten sich sehr leise miteinander, denn dasLokal war klein, und sämtliche Tische waren besetzt. Der Duft von thailändischer Küche, die leise asiatische Musik im Hintergrund und das Geplauder der anderen Gäste wirkten beruhigend. Nachdem der Kellner wieder gegangen war, schwiegen sie zunächst eine Weile.
    »Man könnte ja fast glauben, ich würde dich betrügen, ich würde fremdgehen«, sagte Bergþóra schließlich.
    »Nein«, sagte Sigurður Óli. »Natürlich nicht. Du warst also schon mit ihm zusammen, als wir uns das letzte Mal getroffen haben? Davon hast du mir nichts gesagt.«
    »Nein. Das hätte ich vielleicht tun sollen. Ich hatte es auch vor, aber zwischen uns ist es ja aus. Ich weiß nicht, was wir sind. Uns gibt es gar nicht mehr. Es ist einfach vorbei. Ich habe vielleicht geglaubt, dass noch irgendwas zwischen uns sein könnte, aber bei unserem letzten Treffen ist mir klar geworden, dass es vorbei ist.«
    »Ich war ziemlich verwirrt, als ich dich neulich abends angerufen habe. Als ich merkte, dass jemand bei dir ist.«
    »Du hast uns beiden keine Chance gegeben.«
    Bergþóra sagte das ganz ohne Emotion, ihre Stimme klang weder vorwurfsvoll noch ungehalten. Der Kellner brachte ihnen die Getränke. Das Bier kam aus Thailand, es war gut gekühlt und erfrischend.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so stimmt«, sagte Sigurður Óli, klang aber keineswegs überzeugend.
    »Ich war zu einem weiteren Versuch bereit«, sagte Bergþóra, »und ich glaube, dass ich getan habe, was ich konnte. Es kam aber nie eine Reaktion von dir, du warstimmer so negativ und starrsinnig. Jetzt ist es vorbei damit, wir können wieder unser eigenes Leben leben. Ich war richtig erleichtert, als ich merkte, dass ich nicht mehr ständig in die Defensive gehen muss. Ich lebe mein Leben weiter und du deins.«
    »Es ist also vorbei«, sagte Sigurður Óli.
    »Es ist schon lange vorbei«, sagte Bergþóra. »Wir haben bloß Zeit gebraucht, um uns darüber klar zu werden. Ich habe es geschafft und mich mit dem Gedanken ausgesöhnt.«
    »Das ist wohl kein normaler Bankangestellter, mit dem du dich triffst«, sagte Sigurður Óli.
    »Er

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