Abgrund: Roman (German Edition)
Fall, dass er Durst bekommt, und es gibt einen Haufen Klappen und Ventile, die Dinge tun, über die er nicht nachdenken will, wenn er pinkeln oder kacken muss.
Er hat etwas Hunger, doch das kann warten. Solange ihn nichts angreift, fühlt er sich hier draußen wohl.
Brander kann ihn einfach nicht in Ruhe lassen. Fischer weiß nicht, was Brander gegen ihn hat …
Oh doch, das weißt du, sagt Schatten.
… aber er kennt diesen Blick. Brander wartet nur darauf, dass er Mist baut.
Die anderen halten sich natürlich größtenteils aus der Sache heraus. Nakata, die Nervöse, geht allen anderen aus dem Weg. Caraco tut so, als wäre es ihr vollkommen egal, selbst wenn Fischer bei lebendigem Leibe von einem Raucher gekocht würde. Lubin sitzt einfach nur da, starrt zu Boden und brütet vor sich hin – ihn lässt selbst Brander in Ruhe.
Und Lenie. Lenie ist so kalt und abweisend wie ein Gletscher. Nein, die anderen werden Fischer gegen Brander nicht beistehen. Wenn er also die Wahl hat zwischen den Ungeheuern hier draußen oder dem im Innern der Station, fällt ihm die Entscheidung nicht schwer.
Caraco und Nakata überprüfen gerade die Stationshülle. Ihre fernen Stimmen surren störend in Fischers Kiefer. Er schaltet den Empfänger ab und lässt sich hinter einer Formation aus Kissenbasalt nieder.
Später kann er sich nicht mehr daran erinnern, wann er eingeschlafen ist.
»Hören Sie zu, Sie Schwanzlutscher. Ich musste gerade zwei Schichten hintereinander schieben, nur weil Sie nicht zur Arbeit erschienen sind. Und dann haben wir noch eine halbe Schicht lang nach Ihnen gesucht. Wir dachten, Sie seien in Schwierigkeiten. Das haben wir jedenfalls angenommen. Sagen Sie mir jetzt nicht …«
Brander drückt Fischer gegen die Wand.
»Sagen Sie mir jetzt nicht«, wiederholt er, »dass Sie das gar nicht waren. Das will ich nicht hören.«
Fischer blickt sich im Bereitschaftsraum um. Nakata beobachtet vom gegenüberliegenden Schott aus das Geschehen, nervös wie eine Katze. Lubin klappert im Ausrüstungsspind herum und hat ihnen den Rücken zugekehrt. Caraco greift nach ihren Schwimmflossen und geht an ihnen vorbei zur Leiter.
»Carac…«
Brander stößt ihn hart gegen die Wand.
Den Fuß auf der untersten Leitersprosse dreht sich Caraco um und mustert sie einen Moment lang. Ein Lächeln geistert über ihr Gesicht. »Schauen Sie mich nicht so an Gerry, mein Guter. Das ist Ihr Problem.« Sie steigt nach oben.
Branders Gesicht schwebt wenige Zentimeter von ihm entfernt in der Luft. Bis auf die Mundklappe ist seine Kapuze noch immer geschlossen. Seine Augen wirken wie durchsichtige Glaskugeln, die in schwarze Plastik eingelassen sind. Er packt noch fester zu.
»Also, Schwanzlutscher?«
»Es … tut mir leid …«, stammelt Fischer.
»Es tut Ihnen leid.« Brander wirft einen Blick über die Schulter und bezieht Nakata in den Witz mit ein. »Es tut ihm leid.«
Nakata lacht viel zu laut.
Lubin hantiert klappernd im Spind herum und schenkt den anderen immer noch keine Beachtung. Das Rad der Luftschleuse dreht sich.
»Ich glaube nicht«, sagt Brander und hebt die Stimme, um das unvermittelt einsetzende Gluckern zu übertönen, »dass es Ihnen genug leidtut.«
Die Schleuse schwingt auf. Lenie Clarke tritt heraus, die Schwimmflossen in der Hand. Ihr leerer Blick wandert durch den Raum, ohne bei Fischer anzuhalten. Schweigend trägt sie ihre Flossen zum Trockengestell.
Brander rammt Fischer die Faust in den Magen. Fischer krümmt sich keuchend nach vorn und fällt zu Boden, wobei sein Kopf gegen die Luke der Luftschleuse schlägt. Er bekommt keine Luft mehr, und das Deck zerkratzt ihm die Wange. Branders Stiefel berührt beinahe seine Nase.
»Hee.« Lenies Stimme, abweisend und nicht sonderlich interessiert.
»Selber hee, Lenie. Er hatte das schon lange mal verdient.«
»Ich weiß.« Einen Moment lang herrscht Stille. »Trotzdem.«
»Judy wurde bei der Suche nach ihm von einem Viperfisch angegriffen. Sie hätte sterben können.«
»Kann schon sein.« Lenie klingt, als sei sie sehr müde. »Also, warum ist Judy dann nicht hier?«
»Ich bin hier«, sagt Brander.
Fischers Lunge funktioniert wieder. Er holt keuchend Luft und richtet sich am Schott auf. Brander funkelt ihn wütend an. Lubin ist in den Raum zurückgekehrt, hält sich etwas abseits und schaut zu.
Lenie steht in der Mitte des Bereitschaftsraums und zuckt die Achseln.
»Was?«, will Brander wissen.
»Ich weiß nicht.« Sie mustert Fischer
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