Abiona - Das Bündnis (German Edition)
aber alles, was sie erreichte, war, dass er aufriss und ein Stein herauskullerte und vor ihr liegen blieb. Thuri starrte entsetzt auf den zerrissenen Beutel und die vorwitzig herauslugenden Steine. Waren die Sonjen tatsächlich so schwer geworden? Zitternd vor Anspannung zerrte sie den Beutel mit ihren blutigen Fingern gänzlich auf. Die Steine waren tatsächlich etwas größer geworden, aber sie erreichten kaum die Größe einer Männerfaust. Warum hatten sie plötzlich so ein Gewicht?
Sie umfasste den herausgerollten Stein mit beiden Händen und wuchtete ihn hoch. Er war sehr schwer, doch es gelang ihr, sich ihn auf die Schulter zu heben. Dann stampfte sie vorwärts – ein Schritt vor – Pause – ein weiterer Schritt. Bald zitterte sie vor Anstrengung. Als sie den Stein absetzte, um zu verschnaufen und ihn anschließend wieder hochhob, erschien er ihr noch schwerer; sie konnte kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. So setzte sie den Stein ab und rollte ihn auf allen Vieren kriechend vor sich her. Die Minuten krochen dahin. Erst nach einer halben Ewigkeit öffnete sich der Höhlengang und sie erkannte den Vorraum wieder, wo einst Jacks Körperhülle gelegen hatte. Hier glomm immer noch ihr blauer Kristall und verströmte sein kaltes Leuchten in der Höhle.
Schwitzend und keuchend erreichte sie den Spalt und rollte den Stein in einem letzten großen Kraftakt nach draußen. Dann blieb sie nach Atem ringend auf dem Höhlenboden liegen. Sie war mit ihrer Kraft fast am Ende und alles tat ihr weh. Doch was waren ihre Schmerzen und die Mühen im Vergleich zu dem inneren Jubel, der sich jetzt trotz aller Angst und Unsicherheit in ihr regte? Sie hatte es geschafft! Der erste Lichtkern eines Schöpfers war in ihrer Welt!
Ionason
»Ich bin hier, hier hinter dir...«
Eldana wandte sich hektisch um, doch Ionasons säuselnde Stimme war sofort wieder in ihrem Kopf. »Ruhig, ganz ruhig. Ich tue dir nichts. Das weißt du doch.«
Eldana atmete tief ein und aus und wandte sich dann dem Schatten zu, der in einer Nische von Mels Höhle Gestalt angenommen hatte. »Ja, ich weiß«, sagte sie leise und lächelte. »Darf ich mich mit dir unterhalten?«
Ionason lachte spöttisch. »Was für eine Frage, Eldana. Du tust gerade so, als wäre ich ein Fremder. Dabei habe ich dir alles zu verdanken. Du hast deine Aufgabe bisher sehr ehrbar getragen.«
Eldana ließ sich neben der kalten Feuerstelle nieder. Sie antwortete nicht. Die Worte, die Ionason sprach, weckten starke Gefühle in ihr. Da waren Stolz und Erregung und das Bedürfnis zu helfen. Doch sie kannte diese Gefühle gut und nahm sie achtsam wahr. Es war genau das, was Ionason immer in ihr ausgelöst hatte, und weswegen sie ihm verfallen war.
»Was verlangst du noch von mir?«, fragte sie stattdessen leise und beobachtete Ionason genau. Seine Gestalt schien an Größe und Macht zuzunehmen. Und plötzlich hatte sie Angst.
»Es ist gut, dass du fragst«, entgegnete der Dämon beflissen. »Es gibt Probleme, Eldana. Ich glaube nicht, dass wir sie ohne dich lösen können. Du warst schon immer ein Segen für die Dunkelheit.«
»Was verlangst du?«, wiederholte Eldana eisern und versuchte, ihren nervösen Herzschlag zu beruhigen. Ionason schwieg eine Weile und gewann dabei weiter an Substanz. Er glich jetzt einem gebeugten Mann, der einst stark und stolz gewesen sein musste, doch durch irgendeinen Schlag des Schicksals vergrämt worden war.
»Ich möchte dich nicht drängen, Eldana. Doch ich sorge mich um Abionas Durchhaltevermögen. Er wird diesen Zustand nicht lange ertragen, so geteilt von mir.«
Eldana nickte und wiederholte ihre Frage ein drittes Mal. »Und was verlangst du dann von mir?«
Ionasons Augen verengten sich und jetzt erschien er ihr bedrohlich. »Du musst uns wieder miteinander verbinden, Eldana. Ich brauche den Körper des Jungen, um das zu vollenden, was ich einst begonnen habe. Wie soll ich sonst die Unterwelt befreien? Nur in der Verbindung mit Abiona wird es mir gelingen, Gea Mortan zu überlisten und Marag Thur den ersehnten Frieden zu bringen. Das wird auch eure Welt vor weiteren Angriffen bewahren und alle wieder einen! Das war es doch, was du dir wünschtest. Das war unser Abkommen!«
Ionason hielt inne und schaute Eldana fordernd an. Sie jedoch schaute plötzlich in die Ferne und dachte an Shekowahs Worte. »Das war es vielleicht einmal. Doch das Blatt hat sich gewendet und die Zeit sich gewandelt. Meine Wünsche damals entsprachen nicht meinen wahren
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