Abiona - Das Bündnis (German Edition)
wusste nicht, woher dieses Gefühl kam, aber trotz der dunklen Bedrohung, die wegen Sylans Schicksal über ihm hing wie eine Gewitterwolke, fühlte er sich in Thuris Nähe glücklich. Er ließ sich noch eine Weile von ihrer Gegenwart durchströmen, die weich und dennoch kraftvoll war, wie ein breiter Fluss im warmen Sonnenschein. Dann stand er auf und verließ leise den Raum, um erneut das Wissende Auge aufzusuchen.
Zarte Verführung
Eldana und Shekowah erreichten die Blaue Mine, als der Mond die weite Ebene flutete. Doch als sie das gut getarnte Versteck ansteuerten, zögerten sie irritiert. Die Tür stand sperrangelweit offen und die Fußspuren in der feuchten Erde zeugten davon, dass Ionason seinen Unterschlupf verlassen hatte. Shekowah zügelte sein Pferd und sprang ab. »Bleib du hier. Ich sehe mich um«, flüsterte er Eldana zu und trat ins Innere der Mine. Als sich seine Augen an das blaue Halbdunkel gewöhnt hatten, fand er ein erschreckendes Chaos vor: Falfarevs Zeichnungen waren von den Wänden gerissen, der Boden war mit Glassplittern übersät und es roch unangenehm nach einer Mischung aus Rotwein und Urin. Ein Blick in die Schlafkammer gab Auskunft darüber, dass der Kleiderschrank durchwühlt worden war und der Fußboden als Toilette gedient hatte. Der schwere Riegel der Schlafzimmertür lag zertrümmert am Boden. Shekowah trat wieder nach draußen, wo Eldana damit beschäftigt war, die Fußspuren zu untersuchen.
»Drinnen herrscht das Chaos. Von ihm fehlt jede Spur«, sagte der König knapp und ließ den Blick über die nahe Baumgruppe gleiten. »Trotzdem werden wir heute Nacht hier bleiben müssen. Komm, sieh dir an, was er angerichtet hat.«
Eldanas Augenbrauen zogen sich unwillkürlich zusammen. Dann folgte sie ihm in das Innere der Mine. Wie Shekowah nahm auch sie das Ausmaß der derben Zerstörung mit Besorgnis zur Kenntnis.
»Er kann noch nicht weit gekommen sein. Wir sollten nach ihm suchen«, überlegte sie laut, während sie den Scherbenhaufen in der Küche untersuchte. Shekowah strich sich müde übers Gesicht und ging neben ihr in die Hocke. »Ich könnte nach ihm suchen, aber dann müsste ich dich hier allein lassen. Außerdem ist es bald stockduster; die Gegend ist mir nicht vertraut. Keine guten Aussichten auf Erfolg.«
»Wir müssen es trotzdem versuchen und ich werde natürlich mitkommen.«
Shekowah ließ die Luft pfeifend entgleiten und stand auf. »Und was ist, wenn Ionason uns angreift und wir uns verteidigen müssen, irgendwo da draußen in der Dunkelheit? Wie würde es dir gefallen wenn ich ihn töten müsste oder er mich? Es klingt verrückt, aber nach dem, was ich hier sehe, ist es alles andere als unwahrscheinlich!«
Eldana schwieg betreten und starrte auf den Scherbenhaufen zu ihren Füßen. Shekowah hatte Recht. Und sie hatte nicht das Recht, das Schicksal erneut herauszufordern. Sie stand auf und trat zum provisorischen Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. »Gut, dann also morgen früh.«
Shekowah hob erstaunt die Augenbrauen. »Ich dachte, ich müsste länger argumentieren.«
Sie lächelte schwach und trocknete sich die Hände an einem Leinentuch ab. »Nein, ich bin zu müde zum Kämpfen. Du hast gewonnen.« Sie ließ sich erschöpft auf die Bank sinken. »Außerdem habe ich gelernt, dir zu vertrauen. Vielleicht kommt Ionason von selbst zurück, wenn er sieht, dass wir da sind.«
»Ja, vielleicht«, murmelte Shekowah geistesabwesend. »Ich werde die Pferde versorgen und mich ein wenig umsehen.«
Sie nickte müde und massierte sich den steifen Nacken. Nach einer Weile jedoch beschloss sie, sich dem Chaos im Zimmer zu stellen und notdürftig aufzuräumen. Ihre Gedanken aber kreisten um Ionason. Was musste er nur gedacht haben, als er plötzlich hier erwachte, allein und eingesperrt? Sie konnte seine Wut verstehen. Er musste lernen mit einem Körper zurechtkommen, den er nicht kannte und dem ihm keiner erklärte. Wie sollte er wissen, was er als Mensch tun musste? Er hatte nur seine schwachen Instinkte. Alles andere musste er lernen.
Sie ging in die Schlafkammer und begann den Boden sauber zu wischen. Einige Zeit später kam Shekowah zurück und half ihr, während er gleichzeitig seine Beobachtungen mitteilte. »Ich habe mich kurz umgesehen, aber keine weiteren Hinweise auf seinen Verbleib entdecken können. Entweder, er ist schon am Morgen aufgebrochen und über die Ebene gewandert oder aber, wenn er durch den Wald gegangen ist, hat er seine Spuren sorgsam
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