Abiona - Das Bündnis (German Edition)
der Kehle, schälten sie sich leise und bruchstückhaft aus ihm hervor: »Ich… bin… Abiona.«
Die Worte, die daraufhin folgten, waren wieder dämonischer Natur und kamen ihm merkwürdig leicht von den Lippen. »ASTÈM! Wir sind Iona Son. Aber es fällt uns bisweilen noch schwer, den menschlichen Teil zu kontrollieren.«
Plötzlich begriff Abiona, was los war. Er war besetzt! Ein stummer Aufschrei entrang seiner Kehle und verwandelte sich auf dem Weg nach draußen in ein kehliges Lachen. Er hatte die Kontrolle verloren!
Sein Körper richtete sich nun wie von unsichtbaren Fäden gezogen viel stolzer und größer auf, als er es für möglich gehalten hätte und die unbekannte Stimme in ihm sagte in gebieterischem Ton: »Was steht Ihr hier herum, Ju Lissanto! Holt uns andere Kleidung. Wir fühlen uns vernichtend geringschätzig!«
Ju Lissanto zögerte und warf der Dunklen Herrscherin einen fragenden Blick zu.
»Ja, geht!«, rief sie mit nicht ganz so fester Stimme. »Und beeilt Euch.«
Der Zweite verneigte sich knapp und war im nächsten Moment verschwunden. Abiona wandte sich lächelnd der Dunklen zu, obwohl ihm nicht nach Lächeln zu Mute war. Aber es war nahezu unmöglich die Mundwinkel hinunter zu drücken, wenn eine stärkere Macht sie hochzog.
»Es ist eine interessante Erfahrung, Euch wieder zu sehen«, sagte er mit einer tiefen geschmeidigen Stimme, die er gar nicht von sich kannte. Er fuhr sich mit der Fingerspitze über die verkrustete Halswunde. »Wir denken, eine Entschuldigung wäre angebracht…«, sein Lächeln wurde eine Spur kälter, »schließlich habt Ihr uns beinahe… erwürgt.«
Die Dunkle Herrscherin zitterte und Abiona stellte überrascht fest, dass sie unsicher aussah. Eingehend betrachtete sie ihre Hände. »Verzeiht uns unser Vorgehen, doch in Zeiten wie diesen, liegen Freund und Feind nah beieinander.« Eine Spur gefasster, fuhr sie fort: »So nah, dass wir Euch einige Fragen stellen müssen, um sicher zu gehen, dass Ihr der seid, den wir hoffen, vor uns zu haben.«
Abiona machte unfreiwillig eine kleine Verbeugung. »Bitte fragt, wir haben nichts anderes erwartet.«
Die Dunkle nickte und trat an den trüben Spiegel. »Wie kommt es, dass Ihr hier seid? Uns wurde gesagt, Ihr seid verschollen in der Welt der Menschen. Euer Verlust hat uns mit tiefer Trauer erfüllt. Lange Zeitspannen haben wir gewartet. Jede Hoffnung war verloren. Doch jetzt steht Ihr vor uns in der Gestalt eines Halbmenschen, von dem behauptet wurde, er ist Euer Sohn!«
»Ihr stellt die schwierigste Frage zuerst, doch so kennen wir Euch, Schattenrose«, sprach Abiona zärtlich und trat an sie heran. Im fahlen Licht reflektierten sich ihre Gesichter blass auf der Oberfläche des Spiegels. »Auch wir dachten, wir wären im menschlichen Reich vergangen. Wir hatten unseren Spiegel verloren und der Rückweg war versperrt. Doch uns gelang es, den Körper einer Frau zu besetzen. Da sie unseren Spiegel berührt hatte, war ihr Schutzmantel gesenkt und wir konnten uns unbemerkt bei ihr einnisten.
Dann geschah es, dass wir im Körper der Frau eine Veränderung bemerkten. Ein neues menschliches Wesen wuchs heran. Wir konnten uns in seine Substanz schleusen und sie von Beginn an beeinflussen. Es war ein langwieriger und schwieriger Prozess, doch schließlich gelang uns das Kunststück. Wir wandelten den Körper um in die Gestalt, die wir brauchten, um zu Euch zurückzukehren.
Wir hofften, Ihr würdet die Veränderungen bemerken, deuten und uns holen. Und so kam es. Ten Karan holte uns ab und brachte uns endlich wieder zurück. Doch auch hier unten gehorchte uns dieser Körper noch nicht gänzlich. Erst nach und nach erlangten wir Zugang zu allen Gehirnwindungen, Organen und physiologischen Strukturen und lernten ihre Funktionsweise kennen.«
»Aber warum habt Ihr Euch nicht zu erkennen gegeben?«, entgegnete die Dunkle eine Spur ungeduldig.
Abiona verzog das Gesicht ungefragt zu einer schmerzhaften Grimmasse und fuhr mit heiserer Stimme fort: »Als wir meinten, wir hätten diesen Körper soweit im Griff, um unsere wahre Identität zu enthüllen, geschah etwas Unvorhergesehenes. Wir wurden verletzt durch eine eisige Kälte, die uns das Bewusstsein raubte. Der Körper, den wir verwendet hatten, erstarrte und unsere Substanz, die an den Körper gebunden war, zog sich schmerzhaft zusammen.
Wir fielen in einen endlosen Schlaf, einen Schlaf, der Vergessenheit und Dunkelheit über uns brachte. Wir dachten, dies wäre das Ende.
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