Abraham Lincoln - Vampirjäger
wurden praktisch in der Luft zerrissen. Ihre Gliedmaßen wurden von herumwirbelnden Klauen abgetrennt, ihre Knochen zerschmettert von der puren Wucht, mit der die Vampire um sie herum zusammenstießen. Als ihnen klarwurde, dass sie zahlenmäßig unterlegen waren, traten die Vampire aus dem Süden hastig den Rückzug an. Einige Vampire der Union setzten ihnen nach – die anderen, Henry eingeschlossen, eilten zu uns.
»Abraham«, sagte Henry. »Ich bin froh, dich am Leben zu sehen, alter Freund.«
»Und ich, dich tot zu sehen.«
Henry lächelte. Er riss einen Ärmel von seinem Hemd ab und hielt ihn Abe ans Kinn, um die Blutung zu stillen. Seine Kameraden kümmerten sich um Lamon und Speed (die beide ziemlich aufgewühlt, aber ansonsten unverletzt waren).
Die Union hatte falsche Informationen von einem verräterischen Spion erhalten – Informationen, die mich in den Tod hätten locken sollen. Henry und seine Verbündeten hatten erst von diesem Verrat erfahren, nachdem wir Springfield verlassen hatten. Ohne eine Möglichkeit, uns davon in Kenntnis zu setzen (denn wir reisten unter falschen Namen), ritten sie zwei Tage und zwei Nächte lang ohne Pause, um uns abzufangen, und benachrichtigten die Dreifaltigen, damit sie Mary und die Kinder in ein Versteck brachten.
»Und du kannst mir versichern, dass sie in Sicherheit sind?«, fragte Abe.
»Ich bin mir sicher, dass sie untergetaucht sind und von meinen drei gerissensten und grimmigsten Verbündeten beschützt werden«, versicherte Henry ihm.
Das sollte genügen. Abe wusste, dass die Dreifaltigen ihre Befehle ernst nahmen.
»Henry«, sagte er nach einer langen Pause, »ich war mir sicher, dass ich … «
»Ich habe es dir doch gesagt, Abraham … es war noch nicht an der Zeit für dich.«
Doch es sollte die letzte Jagd in Abes Leben gewesen sein.
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Am 6. November 1860 saß Abe in einem kleinen Telegrafenamt in Springfield.
Die Flut von Sympathisanten und Bittstellern hatte mit dem Näherrücken der Wahl unerträgliche Ausmaße angenommen. Als der 6. November schließlich gekommen war, erklärte ich, dass ich niemanden sehen wolle, bis alle Stimmen abgegeben worden seien. Nur der junge Angestellte [im Telegrafenamt] sollte mir Gesellschaft leisten. Wenn das Ergebnis so ausfiele, wie ich und meine Unterstützer es erwarteten, würden mir in den kommenden Jahren nur mehr wenige friedliche Tage vergönnt sein.
Er hatte sich zum ersten Mal in seinem Leben einen Bart wachsen lassen, um die Narbe an seinem Kinn zu kaschieren. 47
47 Es wird weithin angenommen, dass Abe die Idee, sich einen Bart wachsen zu lassen, von der elfjährigen Grace Bedell übernahm. Obwohl es wahr ist, dass Bedell ihm den Vorschlag unterbreitete (und darauf pochte, dass die »Damen Bärte mögen« und deshalb ihre Männer dazu anhalten würden, ihn zu wählen), hatte er bereits angefangen, sich einen Bart wachsen zu lassen, bevor der berühmte Brief von Grace eintraf.
Der Bart ließ sein Gesicht voller und gesünder wirken. »Viel distinguierter«, meinte Mary. »Ein Gesicht wie gemacht für einen künftigen Präsidenten.«
Mary stand meiner Kandidatur zunächst eher ablehnend gegenüber – denn sie hatte die Zeit in Washington nicht recht genossen und war sich wohl bewusst, wie viel Zeit ein solches Vorhaben von mir fordern würde. Als meine Kampagne jedoch zunehmend Erfolge verzeichnete, änderte sich ihre Haltung zusehends. Ich vermute, dass es ihr recht gut gefiel, dass ständig Sympathisanten vor unserer Tür standen und dass wir zu wohlhabenden Ehepaaren zum Abendessen eingeladen wurden, und sie liebte die verschwenderischen Veranstaltungen, die mir zu Ehren abgehalten wurden. Ich nehme an, sie erkannte allmählich die unzähligen gesellschaftlichen Möglichkeiten, die es mit sich brachte, wenn man mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verheiratet war.
Als die Wahlergebnisse nach und nach über den Telegrafen hereintröpfelten, erschien es immer wahrscheinlicher, dass Abe genau das bald sein würde.
Ich gebe zu, dass es keine allzu große Überraschung für mich war, denn ich wusste ja, dass die Union für meinen Sieg sorgen würde – ob ich ihn nun verdient hatte oder nicht. 48 Deshalb konnte ich es nicht als die gleiche Ehre empfinden wie damals, als mich meine Kameraden zu ihrem Hauptmann ernannten. Die Bedeutung der Sache war gewaltig und die Herausforderungen und Miseren, die vor mir lagen, nicht abzuschätzen, wenn auch gewiss zahlreich.
48 Es gab keinen Grund
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