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Abraxmata

Abraxmata

Titel: Abraxmata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bannert
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viele schon nach wenigen Stunden so verrückt macht, dass sie an Herzversagen sterben.« Nach einer kurzen Pause und einem Blick in Murus’ geschocktes Gesicht setzte sie hinzu: »Zu deiner ersten Frage: In Kismet gibt es außer mir noch sehr viele Wesen, vor allem Uhlanoren, wie ich einer bin, aber auch Feen und Kobolde.« Sie schien Murus’ ungläubigen Blick zu spüren, obwohl sie ihn bei ihrer Rede nicht angesehen, sondern in das undurchdringliche Grau gestarrt hatte. »Nein«, sagte sie, »das hier ist nicht Kismet. Kismet ist wunderschön, weite hügelige Landschaften und soweit das Auge reicht Blumenfelder in allen Farben. Das hier ist nur das weiße Kabinett. Ein schrecklicher Ort, mir schnürt es auch immer das Herz zu, wenn ich hier bin. Es existiert noch nicht sehr lange. Irgendwann ist es einfach aufgetaucht und hat gleich viele Bewohner von Kismet mit in den Tod gerissen. Ich weiß, wessen Werk es ist, wer sich hier auf angenehme Weise seiner Feinde entledigt, aber ich denke, ich brauche dir das nicht zu erklären, denn du weißt genau, von wem ich rede. Du bist bestimmt nicht zufällig hierhergekommen. Es hat leider sehr lange gedauert, bis wir hinter das Geheimnis des weißen Kabinetts gekommen sind. Nie hat es bisher jemand geschafft, aus eigener Kraft herauszukommen. Aber keine Angst, ich werde dir helfen.« Und sie lächelte Murus freundlich zu. »Erst mal müssen wir dich soweit bringen, dass du mir, zumindest einigermaßen, folgen kannst.« Sie holte ein wunderschönes goldenes Gefäß hervor. Als sie es öffnete, kam ein lieblicher Duft nach frischen Blumen an Murus’ Nase, den er ganz tief einsog. Mit ihren zarten Händen träufelte sie wenige Tropfen des blauen Saftes auf Murus’ Körper. »Du musst den Hyacynthussaft verreiben und dann langsam Muskel für Muskel anfangen zu bewegen«, sagte sie.
    Murus fing an, den Tropfen auf seinem linken Bein zu verschmieren. Eine angenehme Wärme durchfuhr seine Glieder. Anfangs konnte er sein Bein kaum bewegen, aber mit der Zeit ging es schon ganz gut, und sogar jede einzelne Zehe ließ sich wieder bewegen. Genauso fuhr er mit seinem anderen Bein, den Armen und seinem Bauch fort. Als er beginnen wollte, seine Flügelspitzen von der Bewegungslosigkeit zu befreien, unterbrach ihn Tosjea, die die ganze Zeit, geduldig neben Murus stehend, gewartet hatte.
    »Komm jetzt, deine Flügel brauchst du nicht, um mir zu folgen. Wir sollten hier weg sein, bevor er etwas merkt. Je früher, umso besser. Folge mir einfach ohne viele Fragen zu stellen, damit wir so schnell wie möglich das weiße Kabinett verlassen können.«
    Mit einem sehr schnellen und zugleich sehr eleganten, fast schwebenden Schritt ging sie zügig voran. Murus folgte ihr noch etwas unbeholfen, aber mit der Zeit wurden seine Muskeln wieder lockerer und fühlten sich fast normal an. Seine Füße, die er zuvor, auf Tosjeas Rat, reichlich mit Hyacynthussaft eingeschmiert hatte, verloren diesmal nicht das Gefühl und trugen ihn schnell über den hellen Boden, auch wenn er, zu seiner Enttäuschung, trotzdem keine Bodenstruktur wahrnehmen konnte. Nach wenigen Minuten bog Tosjea exakt im rechten Winkel nach links ab. Nach wenigen Metern ging sie leicht nach rechts. Murus fand das alles so sinnlos, denn er hatte das Gefühl, das Gebiet, in dem sie nun eine Figur abzugehen schienen, genau überblicken zu können. Trotzdem versuchte er sich zusammenzureißen, um nichts zu sagen und daran zu glauben, dass Tosjea ihn kompetent aus diesem schrecklichen Ort herausführen könnte. Tosjea machte noch viele scharfe Linkskurven und bog sehr oft in einem rechten Winkel rechts ab. Murus lief ihr exakt hinterher, obwohl er oft das Gefühl hatte, sich eine Ecke sparen und einfach quer über den Boden gehen zu können, um sie wieder einzuholen. Mit der Zeit kam ihm der Weg sehr lange vor und sein starkes Hungergefühl kam wieder in ihm hoch.
    »Wir sind gleich da«, sagte Tosjea, als hätte sie seine Gedanken geahnt.
    Das Flimmern in der hellgrauen Atmosphäre kam Murus wie ein Geschenk vor. Seit Tagen hatte er nichts wirklich wahrgenommen, weil es nichts wahrzunehmen gab. Er hatte nur ein graues Licht gesehen, ohne jegliche Unregelmäßigkeit.
    Tosjea schritt unbeirrt auf das graue, blitzende Flimmern zu.
    »Wir sind da«, sagte sie. »Schließe am besten beim Durchschreiten des Torbogens die Augen, das grelle Licht lässt einen leicht erblinden. Zumindest sieht man dann für längere Zeit nichts mehr. Ich glaube, so

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