Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Nikiforidis’ Privatsekretärin.«
Ich lasse Vlassopoulos eine Runde durch die Büroräume drehen, damit er den unteren Chargen auf den Zahn fühlen kann, und folge der jungen Frau zum Fahrstuhl.
Angela reicht mich an eine im Merkel-Stil gekleidete Vierzigjährige weiter, die ebenfalls rotgeweinte Augen hat. Offenbar wurde mein Kommen schon angekündigt, denn sie führt mich wortlos zum Büro ihres Vorgesetzten.
Nikiforidis zählt zu den Typen, deren Alter man schwer schätzen kann. Er muss zwischen vierzig und fünfzig sein, trägt einen Anzug ohne Krawatte und erhebt sich bei unserem Eintreten mit betrübter Miene.
»Ich weiß, es wirkt vielleicht pietätlos, aber wir möchten sofort mit den Ermittlungen beginnen«, sage ich einleitend.
»Dafür habe ich vollstes Verständnis. Außerdem liegt es im Interesse unserer Firma, dass der Mörder von Herrn Demertsis so schnell wie möglich gefasst wird.«
»Fangen wir beim Banalsten an. Wissen Sie, ob Jerassimos Demertsis Feinde hatte?«
Nikiforidis zuckt die Achseln und sagt geradeheraus:
»Konkurrenten ja, auch Gegenspieler hatte er jede Menge. Aber Feinde, die ihm nach dem Leben trachteten, mit Sicherheit nicht. Kann sein, dass wir bis aufs Messer um einen Auftrag kämpfen, da öffentliche Ausschreibungen jetzt nur noch einmal im Jahr erfolgen, aber das ginge niemals so weit, dass man dem anderen den Tod wünschte.«
»Ich spreche nicht nur von seinen geschäftlichen Rivalen. Unseres Wissens hatte sich Jerassimos Demertsis als junger Mann als Regimegegner profiliert. Wir müssen eventuell davon ausgehen, dass seine Ermordung mit offenen Rechnungen aus der Vergangenheit zu tun hat.«
»Über Herrn Demertsis’ politisches Engagement weiß ich in groben Zügen Bescheid. Vor allem aus seinen eigenen Erzählungen, denn er hat immer wieder von früher gesprochen. Er hat an der Fakultät für Bauingenieurwesen am Athener Polytechnikum studiert und sich dann an der Besetzung beteiligt. Nachdem die Studenten überwältigt worden waren, kam er in Haft und wurde bei der Militärpolizei ESA gefoltert. Das ist alles, was ich über seine Aktivitäten weiß.« Er hält inne und fügt dann hinzu: »Mir persönlich kommt es unwahrscheinlich vor, dass jemand mit vierzigjähriger Verspätung auf die Idee kommen sollte, mit Herrn Demertsis abzurechnen.«
Da ich seine Meinung teile, nehme ich einen neuen Anlauf. »Wissen Sie, ob es Auseinandersetzungen zwischen Demertsis und dem Personal gab?«
»Wir haben derzeit nur ein einziges Bauvorhaben. Wer wagt es da, Probleme zu machen? Jeder hat doch Angst, rausgeschmissen zu werden. Von den Büroangestellten haben wir ein Drittel entlassen müssen. Wenn auch nur zehn Prozent unserer anderthalb Millionen Arbeitslosen ihre ehemaligen Arbeitgeber umbringen würden, wäre in Griechenland kein einziger Unternehmer mehr am Leben.«
Seine Argumente sind einleuchtend. Daher bleibt mir nur noch eine letzte Frage.
»Kennen Sie Demertsis’ Sohn?«
Nikiforidis zuckt erneut mit den Schultern. »Den habe ich nur ein einziges Mal gesehen, als ihn sein Vater dem Personal vorgestellt hat. Er wollte seinen Sohn überzeugen, in die Firma einzutreten. Doch der junge Mann hatte anscheinend andere Pläne.«
»Wir haben gehört, dass das Verhältnis zwischen den beiden nicht das beste war.«
»Hören Sie, Herr Kommissar. Ich bin Projektmanager der Domotechniki. Das heißt, mich interessiert nur die Bautätigkeit der Firma. Herrn Demertsis’ persönliche oder familiäre Situation geht mich nichts an.«
Seine Worte sind klar und eindeutig. Somit bleibt dieses Hintertürchen für mich verschlossen, und ich muss durch die normale Tür wieder raus.
»Wie komme ich zu Herrn Petrakos?«
»Meine Sekretärin wird Sie begleiten.«
Die beschränkt sich jedoch darauf, mich auf den Flur zu bringen und zu Petrakos’ Büro hinüberzudeuten.
»Dritte Tür rechts«, sagt sie kurz angebunden und kehrt in ihr Büro zurück.
Ich trete in einen großen Saal und mache ganz hinten einen Typen in einem gläsernen Büroraum aus. Von dort aus kann er seine Untergebenen jederzeit kontrollieren. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, dass die Angestellten der Finanzabteilung im Gegensatz zur übrigen Belegschaft tatsächlich arbeiten.
In der Annahme, dass es sich um Petrakos handelt, betrete ich den Glaskasten. Auf den ersten Blick wirkt er älter als Demertsis, so um die siebzig, mit weißem Haar und ergrautem Schnurrbart. Als er sich zur Begrüßung erhebt,
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