Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
stelle ich fest, dass er groß gewachsen ist, sich sehr gerade hält und für sein Alter gut beisammen ist.
Ich fange erneut mit der Frage an, ob Demertsis Feinde hatte. Mit seiner Antwort liegt er auf derselben Linie wie Nikiforidis.
»Ein Unternehmer hat Gegenspieler, aber keine Feinde, Herr Kommissar. Jerassimos Demertsis war ein sehr erfolgreicher Unternehmer mit vielen öffentlichen Bauaufträgen, der bei Ausschreibungen mit Leichtigkeit den Zuschlag bekam. Damit hat er sich unter seinen Mitbewerbern nicht gerade beliebt gemacht. Einen geschäftlichen Rivalen übertrumpfen zu wollen ist Teil des Spiels. Aber seine physische Vernichtung ist etwas ganz anderes.«
»Könnte es sein, dass der Mord auf einen lange zurückliegenden Konflikt zurückgeht? Auf irgendwelche Differenzen in der Vergangenheit? Wir wissen, dass Demertsis gegen die Militärdiktatur gekämpft hat und bei der Militärpolizei ESA gefoltert wurde.«
Über sein Gesicht huscht die Andeutung eines Lächelns, nicht mehr, als es der tragische Anlass gestattet.
»Was glauben Sie? Dass ein alter ESA -Offizier noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hat und ihn nach vierzig Jahren tötet? Ich weiß nicht, wie gut Sie die damalige Militärpolizei kannten, Herr Kommissar, aber dort hat man die Studenten nicht gefoltert, um an Informationen zu kommen. Die hatte man ohnehin. Man hat sie hart rangenommen, um die anderen in Angst und Schrecken zu versetzen.«
»Wie war Demertsis’ Verhältnis zu seinem Sohn?«
Er stößt einen Seufzer aus. »Dass Kyriakos Drogenhandel vorgeworfen wurde und er in Untersuchungshaft landete, hat ihm das Herz gebrochen.«
Ich merke, dass ich schon wieder in einer Sackgasse lande, und beschließe, meine Karten aufzudecken.
»Ich will offen mit Ihnen reden, Herr Petrakos. Ich war zufällig dabei, als Vater und Sohn im Polizeipräsidium aufeinandergetroffen sind. Die feindselige Haltung des Sohnes war offensichtlich.«
Er antwortet nicht sofort, sondern überlegt kurz.
»Dann will ich auch offen sein. Das ist eine alte Geschichte. Obwohl sich Jerassimos sehr bemüht hat, den Graben zu überwinden. Aber da war nichts zu machen.« Eine weitere Pause tritt ein. »Was ich Ihnen jetzt sage, bleibt unter uns. Jerassimos hatte jahrelang eine Affäre. Eine Zeitlang war er sogar von zu Hause ausgezogen. Dann hat er sich mit seiner Frau wieder versöhnt und ist zur Familie zurückgekehrt. Kyriakos hat eine sehr enge Beziehung zu seiner Mutter. Er hat das ganze Drama an ihrer Seite miterlebt und konnte seinem Vater nicht verzeihen. Ich bin kein Psychologe, aber ich glaube, das ist der Grund für seine ablehnende Haltung.«
»Wie lange liegt das ungefähr zurück?«
Petrakos überschlägt den Zeitraum. »Kyriakos muss damals in der zweiten Klasse Lyzeum gewesen sein. Das heißt, es ist sieben oder acht Jahre her.«
»Wissen Sie zufällig noch den Namen der jungen Frau, die mit Demertsis liiert war?«
Nach kurzem Zögern meint er: »Das weiß ich wirklich nicht mehr.«
Jerassimos Demertsis’ Liebschaft ist die einzige Neuigkeit, die ich zutage fördern konnte. Es ist schwer abzuschätzen, ob dieses Detail für die Ermittlungen relevant sein könnte. Es handelt sich ja definitiv nicht um ein Verbrechen aus Leidenschaft. Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass der Fall in der Antiterrorabteilung besser aufgehoben ist als in der Mordkommission.
Ich beschließe, erst noch Demertsis’ Witwe einen Besuch abzustatten und Kyriakos im Gefängnis zu vernehmen, bevor ich darüber entscheide, ob ich den Fall an die Antiterrorabteilung abgebe.
»Bist du auf einen grünen Zweig gekommen?«, frage ich Vlassopoulos, als wir uns am Eingang treffen.
Wir vergleichen die von uns zusammengetragenen Informationen und stellen fest, dass sie übereinstimmen. Als ich ihm von Demertsis’ Affäre erzähle, blickt er mich nachdenklich an.
»Aha, daher weht der Wind«, murmelt er.
»Wovon sprichst du?«
»Eine junge Frau hat eine Athina erwähnt. Der Name war ihr offenbar so herausgerutscht. Als die anderen ihr daraufhin böse Blicke zuwarfen, hat sie versucht, den Fehler wiedergutzumachen.«
»Und was hat sie gesagt?«
»Dass sie eine ehemalige Mitarbeiterin ist, die seit Jahren nicht mehr in der Firma arbeitet.«
Na schön, jetzt wissen wir, dass Demertsis ein Verhältnis zu einer gewissen Athina hatte. Ausgegangen sind wir von Mord, gelandet sind wir beim Sex.
9
Der Erste, der sich bei mir meldet, ist – wie immer – Dimitriou. Er ist eben
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