Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
diesmal in Begleitung von Dermitsakis. Am Krankenhausempfang beschreibt man mir den Weg zu Dr. Fokidous Büro.
Sie ist in den Vierzigern, mittelgroß, trägt Brille und einen Arztkittel. Als sie sieht, dass wir zu zweit sind, verfinstert sich ihre Miene.
»Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt. Es darf nur eine Person zu Frau Demertsi«, stellt sie fest.
»Ich warte unten am Empfang«, erklärt Dermitsakis schnell und verlässt das Arztzimmer.
»Wie ich schon am Telefon sagte, dürfen Sie maximal eine halbe Stunde zu ihr«, sagt Dr. Fokidou. »Und ich bitte Sie, das zu respektieren.«
»Keine Sorge, in einer halben Stunde ist die Sache erledigt.«
»Setzen Sie Frau Demertsi bitte nicht unter Druck, wenn sie bestimmte Fragen nicht beantworten möchte. Ihr Zustand hat sich noch nicht stabilisiert, und wenn Sie zu forsch vorgehen, kann es zu einem Rückfall kommen.«
Sie formuliert ihre Bitte höflich, aber bestimmt.
»Ich werde mich ganz nach Ihren Anweisungen richten«, versichere ich ihr.
»Der gestrige Besuch ihres Sohnes hat sie aufgebaut. Sie hatte den Eindruck, dass es ihm den Umständen entsprechend gutgeht. Kommen Sie, ich führe Sie zu ihrem Zimmer.«
Gut, dass Kyriakos vor mir da war. Einerseits, weil sie das gestärkt hat, andererseits, weil er sie bestimmt auf meinen Besuch vorbereitet hat, da er wusste, dass ich seine Mutter befragen wollte.
»Olga, Kommissar Charitos will Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagt Dr. Fokidou zu Frau Demertsi, als wir das Zimmer betreten. »Er wird nicht lange bleiben. Wenn Sie müde sind, sagen Sie Bescheid. Dann wird er eine Pause machen.«
Mit einem freundlichen Nicken verlässt sie das Krankenzimmer.
Demertsis’ Ehefrau hat sich in ihrem Bett aufgesetzt, auf dem lauter Tageszeitungen ausgebreitet sind. Sie muss zehn Jahre jünger sein als ihr Mann, doch am stärksten fällt die Ähnlichkeit mit ihrem Sohn ins Auge: Kyriakos ist seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
»Ich sehe zu, dass es nicht zu anstrengend für Sie wird, Frau Demertsi«, beginne ich unser Gespräch.
Sie reagiert mit der Andeutung eines Lächelns.
»Die Ärzte denken, dass meine gesundheitlichen Probleme mit Jerassimos’ Tod zu tun haben, aber das stimmt nicht.«
»Womit dann?«, frage ich sie.
»Ich wollte meine Familie retten, Herr Kommissar, habe damit aber alles nur noch schlimmer gemacht. Indem ich Jerassimos erlaubte, nach seiner Affäre wieder zurück nach Hause zu kommen, habe ich Kyriakos vertrieben. Er ist ausgezogen – und die Ehe zwischen Jerassimos und mir war trotzdem kaputt.« Sie stößt einen Seufzer aus und unterdrückt ein Schluchzen. »Es ist meine Schuld, dass mein Sohn im Gefängnis sitzt, Herr Kommissar.«
Ich bemühe mich, ihr Mut zuzusprechen. »Es ist bestimmt nicht schön, im Gefängnis zu sitzen, aber Kyriakos macht das Beste draus. Er gibt den jungen Häftlingen Unterricht und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Es klingt vielleicht eigenartig, aber immer wenn ich ihn besuche, macht er einen zufriedenen Eindruck auf mich.«
»Auf mich auch, und das hat mich sehr erleichtert. Als ich ihn fragte, was er esse, sagte er, die ganz normalen Mahlzeiten, die alle anderen auch bekommen. Und als ich ihn fragte, ob er Geld brauche, um sich etwas Besseres zu kaufen, antwortete er mir, dass er die jungen Sträflinge nicht beraten und unterrichten und gleichzeitig etwas Besseres als sie essen kann.«
Mit jedem Besuch bei ihm und jedem Gespräch über ihn steigt meine Achtung vor Kyriakos. Nichtsdestotrotz muss ich zum ursprünglichen Thema der Befragung zurückkehren.
»War die Liebesaffäre Ihres Mannes der Ausgangspunkt für alles, was später passiert ist?«, frage ich sie, während ich ihr gleichzeitig versichere: »Sie müssen mir nicht antworten, wenn Sie nicht wollen.«
Sie umfasst ihr Gesicht mit beiden Händen, als wolle sie die Kontrolle über ihre Gefühle nicht verlieren.
»Ich will Ihnen antworten«, sagt sie sanft. »Sie haben nach der Affäre meines Mannes gefragt? Da gab es keine Liebesbeziehung, Herr Kommissar. Jerassimos war nicht verliebt in diese junge Frau. Auch mich hat er nie geliebt. Nicht mal Kyriakos. Mein Mann war nur in eine einzige Person verliebt.«
»Und in wen?«, frage ich neugierig.
»Jerassimos war nur in sich selbst verliebt. Er war verliebt in sein Engagement gegen die Diktatur, in seinen geschäftlichen Erfolg, in die Macht, die ihm seine politischen Beziehungen verliehen haben. Das war die
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