Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
bewirkt!«
»Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt haben Sie den Richtigen gefunden«, sage ich zu Mania, als ich in ihr Arbeitszimmer trete.
»Tja, Herr Charitos, früher habe ich bei jedem Mann, den ich kennenlernte, zuerst die Fehler gesehen. Bei Uli kann ich keinen finden. Vermutlich werde ich irgendwann auch bei ihm fündig werden, aber er spannt mich ganz schön lange auf die Folter.«
Man sieht ihr an, wie glücklich sie ist. Doch dann wird ihre Miene wieder ernst und sachlich. »Ich habe mir über den Fall, den Sie mir geschildert haben, Gedanken gemacht.«
»Und?«
»Rechtsextreme Täter sind nicht vollkommen auszuschließen, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering, Herr Kommissar.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weil Rechtsextreme einfach drauflosprügeln, Dinge kaputthauen, wild um sich schlagen, aber nicht nachdenken, Herr Charitos. Und hinter diesen Verbrechen steht jemand, der sie von langer Hand geplant hat. Dass die Parole des antidiktatorischen Studentensenders und vor allem die drei Schlagworte ›Brot, Bildung, Freiheit‹ in Zusammenhang mit den drei Morden verwendet wurden, deutet vielmehr auf einen intellektuellen Täter.«
»Glauben Sie, dass es junge Leute sein könnten?«
»Ich weiß es nicht. Klar, die Taten zielen gegen die Generation Polytechnikum. Da denkt man zuerst einmal an junge Leute, doch genauso gut könnten es enttäuschte Altersgenossen sein. Mit Sicherheit aber sind sie gebildet und im politischen Denken geschult. Rechtsextreme denken nicht politisch, wie Sie wissen, Herr Charitos. Rechtsextreme machen nur mit Randale und Zerstörung Politik.«
»Vielen Dank, Mania«, sage ich zu ihr. »Sie haben mir wie immer sehr weitergeholfen.«
»Gar nicht wahr, ich habe es Ihnen noch schwerer gemacht«, erwidert sie ernst. »Genauso leicht, wie es für die Rechtsextremen ist, einfach draufzuhauen, ist es für uns, ihnen alles anzulasten, was uns nicht in den Kram passt. Wir sind in ihren Augen Vaterlandsverräter, und sie sind für uns eine bequeme Lösung. Die zwar oft zutrifft, aber nicht immer.«
Da hat sie wohl leider recht. Und Gikas muss sich weiterhin gedulden.
Katerina und ich beschließen, zu Fuß nach Hause zu gehen. Unterwegs malt sie sich das überraschte Gesicht ihrer Mutter aus, wenn sie Uli im Radio Deutsch sprechen hört. Und als wir vor der Haustür anlangen und ich mich für den Fußmarsch entschuldige, meint sie: »Soll ich dir was sagen, jetzt, da wir unter uns sind? Anfangs war es mir peinlich, einen Bullen als Vater zu haben. Besonders in den ersten Jahren an der Uni habe ich darunter gelitten, dass einige Kommilitonen mir gegenüber sehr reserviert waren.«
»Und jetzt?«, frage ich.
»Jetzt bin ich stolz darauf, weil du immer geduldig mit mir warst und mich nie unter Druck gesetzt hast. Und du hast mir immer wieder Perspektiven aufgezeigt.«
Dann drückt sie mir einen Kuss auf die Wange.
Am liebsten würde ich jetzt drei Stufen auf einmal nehmen. Doch das Wohnhaus hat einen Fahrstuhl. Und der wahre Grieche geht nie zu Fuß die Treppe hoch. Wenn man es richtig bedenkt, waren wohl genau diese bequemen Lösungen der Anfang unseres Elends.
31
Als ich am nächsten Morgen ins Präsidium komme, wartet Vassiliki Petrojanni schon vor meiner Bürotür.
»Sie sind früh dran, Frau Petrojanni«, sage ich, als sie mir gegenüber Platz nimmt.
»Ich habe für die polizeiliche Vernehmung heute freibekommen, und ich müsste eigentlich gar nicht ins Büro. Aber ich gehe trotzdem zur Arbeit, sobald wir fertig sind.«
»Haben Sie so viel zu tun?«, wundere ich mich.
»Es gibt jede Menge Entlassungen, Herr Kommissar. Bis vor einem Jahr fühlten sich alle im öffentlichen Dienst noch sicher. Unsere Lage war so privilegiert, dass wir unsere Kollegen aus der Privatwirtschaft bemitleidet haben. Aber inzwischen sind auch wir betroffen, und die Entlassungen nehmen kein Ende.« Sie hält inne und schlägt das Kreuzzeichen. »Nach Dimos’ Tod bin ich die letzte Sachbearbeiterin in unserer Abteilung. Heutzutage ist das ja ein Glück, denn da kann ich schwer entlassen werden. So weit sind wir schon: Des einen Freud ist des anderen Leid, Herr Kommissar«, ergänzt sie mit einem bitteren Lächeln.
»Wie lange hat Lepeniotis in Ihrer Abteilung gearbeitet?«
»Er ist vor drei Jahren zu uns gekommen, aber ›arbeiten‹ konnte man das nicht wirklich nennen. Dimos war Gewerkschafter. Und Gewerkschaftsfunktionäre im öffentlichen Dienst arbeiten nicht, sondern sie widmen sich
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