Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Liebe seines Lebens. Die junge Frau hat er mit derselben Leichtigkeit verlassen, mit der er zu mir zurückgekehrt ist.«
Hinter ihren Worten entdecke ich eine weitere Gemeinsamkeit der drei Opfer: ihren Narzissmus. Sowohl Demertsis als auch Theologis und Lepeniotis waren, was ihre politische Tätigkeit unter der Junta und ihre darauffolgende Erfolgsgeschichte betraf, vollkommen selbstbezogen. Auf Papadakis’ Frage, was die Generation Polytechnikum war, hätte ich jetzt eine gute Antwort parat: eine Generation von Narzissten.
Die Demertsi lässt die Hände von ihrem Gesicht sinken und zupft die Bettdecke zurecht.
»Kyriakos hat ihn als Einziger durchschaut«, fährt sie fort. »Wissen Sie, was er zu mir gesagt hat, als ich mich auf Jerassimos’ Rückkehr eingelassen habe? ›Du schaufelst dir dein eigenes Grab. Damit will ich nichts zu tun haben.‹ Das waren seine Worte. Am nächsten Tag hat er seine Sachen gepackt und ist ausgezogen.«
»Wissen Sie, dass er das Erbe ausgeschlagen hat?«
»Er hat es mir gestern gesagt. ›Ich will von diesem Mann gar nichts haben‹, hat er gemeint. Aber ich habe nicht vor, auf mein Erbteil zu verzichten, Herr Kommissar. Schon allein die Immobilien und die Spareinlagen sichern mir ein bequemes Auskommen. Letztendlich war er mir das schuldig«, fügt sie bitter hinzu.
»Was wissen Sie über die Firma Ihres Mannes?«, frage ich. »Und über Petrakos, den Finanzdirektor der Domotechniki?«
»Über Firmenangelegenheiten, also mit wem er zu tun hatte oder auf welchem Gebiet er tätig war, weiß ich nicht Bescheid. Darüber hat er nie mit mir gesprochen. Ich weiß nur, dass es jemanden gab, vor dem er Angst hatte. Vielleicht war das der einzige Mensch, der ihn je eingeschüchtert hat.«
»Und wer war das?«, will ich sofort von ihr wissen.
»Ein gewisser Jannis. Fragen Sie mich nicht nach seinem Nachnamen, den kenne ich nicht. Und zu Gesicht bekommen habe ich diesen Jannis auch nie. Ich weiß nur, dass er eines Tages bei uns zu Hause angerufen hat, und als das Gespräch beendet war, murmelte Jerassimos vor sich hin: ›Was führt er bloß im Schilde?‹ Danach hat er ihn mir gegenüber nie wieder erwähnt. Doch dieser Jannis hat sich immer wieder bei ihm gemeldet. Jedes Mal, wenn Jerassimos mit ihm sprach, war er ganz aufgewühlt und versuchte, ihn mit allen Mitteln zu besänftigen. Und wenn das Gespräch zu Ende war, folgten zehn weitere Telefonate.«
»Hat er Ihnen gesagt, wer dieser Jannis war?«
»Nein, er war auch nie bei uns zu Hause. Die Anrufe kamen immer abends, wenn Jerassimos von der Arbeit kam. An seiner Nervosität konnte ich ablesen, dass er Angst vor ihm hatte. Er muss in seinem Alter gewesen sein. Diesen Eindruck habe ich zumindest aus den Gesprächsfetzen gewonnen, die ich mitbekommen habe.«
Gut, nun sind wir einen Schritt weiter. Wir suchen also einen gewissen Jannis, weitere Identität unbekannt. Die Nadel im Heuhaufen wieder mal. Da fällt mir ein, was Nikopoulos zu mir gesagt hat. Nämlich, dass auch Lepeniotis’ Begleiter im Alter der Generation Polytechnikum war. Könnte das Jannis gewesen sein? Vielleicht habe ich mich getäuscht, und Lepeniotis kannte seinen Mörder doch?
Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Es sind schon fünfundzwanzig Minuten um, und ich will die Demertsi nicht weiter ermüden.
»Kyriakos hat mir erzählt, dass Ihre Tochter ihn vertritt«, meint sie beim Abschied.
»Ja, sie schätzt ihn sehr. Sie haben einen bemerkenswerten Sohn, Frau Demertsi.«
Zum ersten Mal lächelt sie ganz befreit.
»Vielen Dank für Ihre Worte. Man findet immer irgendwo Trost. Ich zum Beispiel bei dem Menschen, der mir am nächsten steht.«
Ich verabschiede mich und schaue dann im Arztzimmer von Dr. Fokidou vorbei, um ihr zu sagen, dass ich mich, wie vereinbart, kurz gehalten habe.
»Sie sind sehr zuverlässig, das ist selten geworden in Griechenland«, meint sie.
Als ich das Yjia-Krankenhaus verlasse, muss ich daran denken, dass Katerina, im Gegensatz zu Kyriakos, immer eine gute Beziehung zu ihrem Vater gehabt hat, und darauf bin ich sehr stolz.
32
Von Athen aus kommt man schneller nach Chalkida als vom Omonia-Platz in den Stadtteil Menidi. Die Autobahn ist selten verstopft, und sobald man Malakassa hinter sich gelassen hat, kann man fast durchwegs hundert fahren. Mit dem Streifenwagen geht’s noch rascher. Kurz vor Chalkida wird der Verkehr zwar dichter, aber von hier bis Nea Lampsakos ist es nicht mehr weit.
Offenbar sind wir im Eldorado
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