Abschied aus deinem Schatten
verlangte, und gleichzeitig etwas, womit sie sich beschäftigen konnte. Was hatte sie denn auch sonst zu tun?
20.KAPITEL
K ip hatte offensichtlich auf sie gewartet und eilte gleich strahlend zu ihr, als sie durchs Törchen kam.
„Hi, Tante Ro! Geht’s besser?”
„Erheblich. Vielen Dank.”
„Ich dachte, es interessiert dich vielleicht, dass Mom und ich uns gestern ausgesprochen haben. Echt gutes Gespräch! Wir haben ’ne ganze Menge geklärt.”
„Na wunderbar, mein Schatz!”
„Jawoll! Sie hat mich endlich aufgeklärt und mir erzählt, wieso das Durcheinander mit Dad entstanden ist und warum sie plötzlich nicht mehr aus ihrer Story rausfand. Auf einmal war’s zu spät, und sie konnte es nicht mehr ändern. Weißt du das?”
„Mark hat mich gestern Abend über einiges informiert.”
„Ja, richtig, sie war mit ihm zum Lunch. Dann weißt du sicher auch, dass sie sich entschuldigt hat und die zwei sich ebenfalls ausgesprochen haben. Gott sei Dank, denn es passte mir überhaupt nicht, wie sie dauernd auf euch beiden rumgehackt hat!”
„Sie fürchtete, dich zu verlieren, Kip. Wenn man Angst hat, tut man schon mal unvernünftige Sachen.”
„Ganz bestimmt!” beteuerte er enthusiastisch. „Darüber haben wir auch gesprochen. Echt merkwürdig war das – als wäre ich der Erziehungsberechtigte und sie das Kind. Als müsste ich ihr versichern, dass keiner von uns jemanden verliert, dass ich meinen Dad, wenn ich ihn besuche, nicht immer gleich mit meiner Mom vergleiche und sie dann als Loser hinstellen würde. So sehen Dad und ich das nämlich überhaupt nicht! Na ja, jedenfalls blick ich jetzt ’n bisschen besser durch!”
„Na, das ist eine tolle Nachricht, mein Junge. Freut mich für dich!”
Jetzt verdüsterte sich seine strahlende Miene ein wenig. „Wenn sie wüsste, dass ich dir das alles erzähle, wäre sie wahrscheinlich stinksauer. Aber sie will wirklich mit dir reden, Tante Ro. Weißt du, du und Onkel Mark, ihr gehört doch praktisch zur Familie! Und Mom macht sich mächtig Vorwürfe wegen allem. War ja auch ’ne ganze Zeit total abgedreht, gar keine Frage! Aber du kennst sie ja. Ist eigentlich nicht ihr Stil, gleich tierisch auf jemanden loszugehen. Sie würde dich nie absichtlich kränken. Sie mag dich doch. Wir alle beide!”
„Kip, komm, wir setzen uns mal einen Augenblick!”
„Klar.”
Rowena entschied sich für einen Tisch im Schatten der Markise, ließ sich auf einen Stuhl gleiten und suchte in ihrer Handtasche nach Zigaretten, wobei ihr bewusst war, dass Kip jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgte. „Es liegt mir viel daran, dass du das richtig einordnest, mein Lieber, denn ich habe dich sehr gern. Du bist für mich etwas ganz Besonderes. Die Sache ist allerdings die: Ich kann momentan nicht mit deiner Mutter sprechen. Was sie mir angetan hat – vor aller Augen, hier im Lokal –, das beschäftigt mich so sehr, dass ich es noch nicht verarbeitet habe. Ich war zutiefst gekränkt und beschämt. Du wirst sicher zugeben, dass es dir ebenfalls sehr peinlich war.”
„Klar, und wie!” gestand er bereitwillig, als habe er nur auf die Gelegenheit zu einem solchen Geständnis gewartet. „Ich hab’s einfach nicht fassen können, dass meine Mutter durchgedreht ist wie ’ne durchgeknallte Irre. Seit unserem Gespräch von gestern kommt’s mir so vor, als wäre das schon ewig her. Dabei war es erst voriges Wochenende.”
„Stimmt. Und es ist mir noch ziemlich frisch in Erinnerung. Hinzu kommt jedoch die Tatsache, dass sie mich jahrelang belogen hat. Das bekümmert mich fast mehr als alles andere. Bei Gelegenheit werde ich sicher wieder mit ihr reden können, doch ein so freundschaftliches Verhältnis wie früher wird zwischen uns nie mehr bestehen. Ich weiß, das hörst du nicht gern, aber so ist es nun mal.”
„Ist wohl nicht sonderlich realistisch, was?” fragte er niedergeschlagen. „Dass ich mir vorstelle, ihr könntet euch wieder vertragen, ihr zwei?”
„Du bist eben ein Glückspilz, mein Junge, und hast eine freimütige, unbefangene Natur. Du regst dich zwar über etwas auf, aber eine Stunde später bist du drüber weg. So wie du bin ich aber leider nicht. Ich gehöre zu den Grüblern, die tagelang über etwas brüten, bis es ihnen einigermaßen einleuchtet. Erst wenn alles zusammenpasst, kann ich die Sache zu den Akten legen. Also, auch wenn ich deiner Mutter vielleicht irgendwann verzeihe, werde ich ihr nie wieder vertrauen können, weil sie unehrlich zu
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