Abschied aus deinem Schatten
kommt es eher wie Albernheit vor. Normalerweise benimmt er sich so in Gegenwart von hübschen Damen. Unter des Herrn Professors spröder Akademikerschale verbirgt sich ein Mann mit weichem Kern und Blick für die Ladys.”
„Du ruinierst noch den guten Eindruck, den ich bisher gemacht habe”, monierte Innes. „Hat er es etwa schon geschafft?”
„Aber keineswegs!” Rowena bemühte sich, ihre Bauchmuskulatur zu entspannen, die sich verkrampft hatte, als Reid den Ausdruck „hübsche Damen” benutzte. Es sah so aus, als müsse sie ihr bisheriges Urteil über ihn revidieren. Der Vergleich mit Finnland passte nicht mehr, Dänemark hingegen, so schien es, kam wohl eher hin. Die Dänen galten als humorvoll, ihre finnischen Nachbarn hingegen als schwermütig und elegisch. Ähnlich, so vermutete sie, musste es sich mit ihrer Großmutter verhalten haben, die sich, jedenfalls nach Jeannes Berichten, geradezu mit Begeisterung in ihre Krankheiten gestürzt hatte. Die Erinnerung daran brachte Rowena zum Lachen.
„Sie scheinen ja allerbester Laune zu sein”, bemerkte Innes.
„Das liegt am Brandy”, erklärte sie. „Auf Alkohol reagiere ich völlig unvorhersehbar. Bisweilen kann ich ein, zwei Gläser Wein trinken, ohne etwas zu merken. Dann wieder bin ich nach einem einzigen Schlückchen schon beschwipst. Heute Abend gilt wohl Letzteres.”
„Na, entzückend!” rief Innes. „Haargenau wie meine verstorbene Schwiegermutter. Deshalb haben wir ihr immer nur einen Fingerhut voll Cream Sherry zu Weihnachten genehmigt. Einen Schluck mehr, und sie fing an, nicht stubenreine Limericks zu rezitieren und unanständige Sachen mit Lampenschirmen anzustellen.”
„Ist das wahr?” wollte Rowena wissen.
„Ach was, kein Wort!” Wieder brach er in sein prustendes Lachen aus, in das Rowena fröhlich einstimmte. Mark hatte doch Recht gehabt. Sie konnte die Situation durchaus genießen.
„Fall Sie nicht bereits versprochen sind”, sagte Innes, als er wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, „dann würde ich Ihnen meine Hand zur Eheschließung anbieten. Überlegen Sie es sich. Ist zwar eine nicht mehr taufrische und wenig attraktive Hand, doch sie gehört Ihnen.”
Spontan legte sie ihre Hand in die seine. „Das ist der netteste Antrag, der mir heute gemacht wurde. Ich werde ernsthaft darüber nachdenken.”
„Bloß nicht!” mahnte Reid. „Der Kerl hat jede Menge unanständige Angewohnheiten. Sie rennen direkt ins Unglück! Im Übrigen wäre es auch unfair. Ich habe schließlich noch keine Gelegenheit gehabt, meinerseits Ansprüche anzumelden, geschweige denn, Sie zum Lunch auszuführen!”
„Au Backe!” sagte Innes. „Der Junge gerät in Harnisch. Das läuft auf ein Duell im Morgengrauen hinaus.”
„Sie sind wohl beide völlig übergeschnappt”, rief Rowena gut gelaunt. „Ich breche die Party ja nur ungern ab, doch ich muss mich wieder auf meine Runde begeben.”
„Und dabei lassen Sie sich bitte mein Angebot durch den Kopf gehen, Verehrteste”, bemerkte Innes.
Zum zweiten Mal erhob Reid warnend die Stimme. „Bloß nicht!” Dabei lächelte er schelmisch.
Kurze Zeit später winkte er Rowena zum Tisch zurück. „Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor. Der Wein steht nicht auf der Rechnung.”
„Das ist kein Missverständnis. Der Wein geht aufs Haus.” Sie reichte ihm die Hand. „Vielen Dank für Ihr Kommen. Es hat mich gefreut, Sie wiederzusehen.” An Innes gewandt, fügte sie hinzu: „Es war mir ein großes Vergnügen. Wenn Sie wieder in den Staaten sind, schauen Sie bitte vorbei.”
„Herzlich gern”, versprach er, wobei er ihre Hand warm mit der seinen umschloss.
Die Terrasse war bereits gefegt. Mike und Kip stapelten gerade die Stühle unter der Plane auf, während Luke die Kerzen einsammelte. Nach wie vor lief alles tadellos, wie Rowena sah; sie brauchte sich also um nichts zu kümmern.
Die beiden Herren standen bereits an der Eingangstür, als sie quer durchs Lokal zu ihnen zurückging. Reid kam ihr einige Schritte entgegen. „Ich würde Sie gern zum Lunch einladen. Irgendwann nächste Woche.”
Für einen Augenblick blieb ihr die Luft weg. An liebsten hätte sie ihm gesagt: Es war nur launiger Scherz, nur Flirt; belassen Sie es dabei, denn ich weiß nicht, wie ich mich gegenüber einem Mann wie Ihnen verhalten soll. Ich würde mich glatt verlieben und mich blamieren. „Mittags ist leider meine Anwesenheit im Restaurant erforderlich”, gab sie zurück, wobei sie
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